Auch außerhalb von Krankenhäusern ist Ver.di für Pflege tariffähig

Eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung muss sozial mächtig und von ihrem organisatorischen Aufbau her in der Lage sein, die ihr gestellten Aufgaben einer Tarifvertragspartei zu erfüllen. So hat es das BAG zuletzt in einem Urteil von 2010 entschieden. Auf dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hat das LAG Berlin-Brandenburg jetzt festgestellt, dass die Gewerkschaft Ver.di auch außerhalb von Krankenhäusern für den Bereich Pflege tariffähig ist.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Juni 2021, Aktenzeichen 21 BVL 5001/21

Flächen- oder Branchentarifverträge schließt eine Gewerkschaft mit einem Arbeitgeberverband. In der Pflegebranche ist die Lage allerdings etwas unübersichtlich. Es gibt nämlich mehrere Verbände auf Arbeitgeberseite. Die Gewerkschaft Ver.di hat am 1. Februar 2021 mit der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP)einen Tarifvertrag über Mindestarbeitsbedingungen in dieser Branche abgeschlossen. Die Tarifpartner strebten eine Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages nach § 7a Arbeitnehmer-Entsendegesetz an. Dazu war es indessen nicht gekommen, weil die Caritas dem nicht zugestimmt hatte.

Der AGVP meint, dass sich die Lage in der Pflegebranche unterscheide sich hier von der Lage in Krankenhäusern unterscheide

In einem weiteren Verband, dem Arbeitgeberverband Pflege e.V. (AGVP) haben sich private Pflegeunternehmen zusammengeschlossen. Noch während der Auseinandersetzungen über die mögliche Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrages hat der AGVP beim Landesarbeitsgericht einen Antrag eingereicht, mit dem der Verband eine fehlende Tariffähigkeit der Gewerkschaft ver.di für Pflegebetriebe geltend macht, die Pflegeleistungen außerhalb von Krankenhäusern erbringen.

Zur Begründung hat der AGVP ausgeführt, jedenfalls wegen der heterogenen Zuständigkeit von ver.di sei für die Prüfung der Tariffähigkeit auf die einzelnen Branchen abzustellen. In der Pflegebranche verfüge ver.di nicht über die für eine Tariffähigkeit erforderliche Durchsetzungsfähigkeit. Die Lage in der Pflegebranche unterscheide sich hier von der Lage in Krankenhäusern. Im Laufe des Verfahrens hat der AGVP hilfsweise die Tariffähigkeit von ver.di insgesamt infrage gestellt. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen.

Es gibt keine partielle, auf bestimmte Regionen, Berufskreise oder Branchen beschränkte Tariffähigkeit

Das Landesarbeitsgericht führt aus, dass die Voraussetzungen für die Tariffähigkeit bei Ver.di vorlägen. Unter Bezugnahme der Rechtsprechung des BAG stellte das LAG darauf ab, dass die Gewerkschaft Durchsetzungskraft besitzt und organisatorisch leistungsfähig ist. Und zwar in einem zumindest nicht unbedeutenden Teil des von ihr beanspruchten Zuständigkeitsbereichs.

Es gebe keine partielle, auf bestimmte Regionen, Berufskreise oder Branchen beschränkte Tariffähigkeit, so das LAG in seiner Begründung. Vielmehr sei die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung für den beanspruchten Zuständigkeitsbereich einheitlich zu beurteilen. Es sei davon auszugehen, dass eine Arbeitnehmervereinigung, die in erheblichen Teilen des von ihr beanspruchten Zuständigkeitsbereichs durchsetzungsfähig sei, sich auch in den Bereichen, in denen es ihr an Durchsetzungskraft fehle, beim Abschluss von Tarifverträgen nicht den Forderungen der Arbeitgeberseite unterwerfe.

Daher habe eine etwa fehlende Durchsetzungskraft von ver.di im Bereich der Pflegebranche für sich genommen auch nicht zur Folge, dass ver.di insgesamt tarifunfähig sei. Als Gesamtorganisation sei ver.di im Sinne der Anforderungen an die soziale Mächtigkeit offensichtlich organisations- und durchsetzungsfähig sowie in der Lage, hinreichenden Druck auf den sozialen Gegenspieler aufzubauen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Quelle:

https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/JURE210013910