Impfen gegen Covid-19 während der Arbeitszeit?

Wir sind alle aufgefordert, uns gegen Covid-19 impfen zu lassen.  Den Impftermin müssen Beschäftigte grundsätzlich außerhalb ihrer Arbeitszeit legen. Nur wenn der Arzt oder das Impfzentrum keinen anderen Termin vergeben kann oder will, muss der Arbeitgeber die Dauer des Impftermins während der Arbeitszeit bezahlen. Tarifverträge können allerdings abweichende Regelungen vorsehen.

„Keinen Lohn ohne Arbeit“ heißt ein Grundsatz im deutschen Arbeitsrecht. Das ergibt sich aus den §§ 275 und 326 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Außerdem kann der Schuldner die Leistung unter gewissen Umständen verweigern. Muss er unter diesen Voraussetzungen nicht leisten, kann auch der Schuldner der Gegenleistung diese verweigern.

Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages haben jetzt Auskunft darüber erteilt, ob Arbeitnehmer für die Wahrnehmung der Schutzimpfung gegen das Corona-Virus gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung haben. Zudem gaben sie ihre Einschätzung zur Rechtsfrage, ob Arbeitgeber Arbeitnehmer zur Durchführung von Corona-Tests verpflichten können und ob solche Tests während der Arbeitszeit durchzuführen sind.

Wer krank ist, für den gilt das Entgeltfortzahlungsgesetz

Vom oben genannten Grundsatz gibt es eine gewichtige Ausnahme: Gemäß § 616 Satz 1 Bürger BGB wird der zur Dienstleistung Verpflichtete des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.

Auf dem Hintergrund dieser Rechtslage hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Rechtsprechung zu Arztbesuchen entwickelt. Vorweg: ist ein Beschäftigter arbeitsunfähig krank, greift § 612 BGB nicht. In diesem Fall gilt ein lex spezialis, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das die Vorschrift gleichsam verdrängt. Besucht also ein Beschäftigter seinen Arzt, weil eine Krankheit ihn arbeitsunfähig macht, hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz.

Wer nicht krank ist, muss den Arzt grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit aufsuchen

Ist die/der Beschäftigte nicht arbeitsunfähig muss sie/er den Arzt grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit aufsuchen, sagt das BAG. Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arztbesuchen während der Arbeitszeit hat sie /er nur, wenn

  • es medizinisch notwendig war, dass die/der Beschäftigte den Arzt aufsucht,
  • die/der Beschäftigte erfolglos versucht hat, einen Termin außerhalb der Arbeitszeit zu bekommen und
  • die/der Beschäftigte im Zweifel eine Bescheinigung des Arztes vorlegen kann, dass außerhalb der Arbeitszeit kein Termin möglich ist.

Daneben kann sich aber auch aus den Umständen des Einzelfalls ergeben, dass ein Arztbesuch während der Arbeitszeit nötig ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn die/der Beschäftigte „auf nüchternen Magen“ untersucht werden soll. Wie immer im Arbeitsrecht können Tarifverträge aber eine andere Vorgehensweise regeln. Zudem ist § 616 BGB keine zwingende Vorschrift, kann also durch Arbeitsvertrag abbedungen werden.

Der Arbeitgeber kann im Übrigen nicht verlangen, dass die/der Beschäftige den Arzt wechselt, um einen Termin außerhalb der Arbeitszeit zu bekommen. Bereits in einer Entscheidung von 1984 hat das BAG betont, dass die Wahl des Arztes Vorrang hat vor der im Übrigen gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers.

Auch bei Impfungen gilt:  Beschäftigte müssen sich um einen Termin außerhalb der Arbeitszeit bemühen

Für die Schutzimpfung gegen das Corona-Virus dürfte nach Einschätzung der Wissenschaftlichen Dienste eine Freistellung bei Fortzahlung der Vergütung dann in Betracht kommen, wenn der Arbeitnehmer auf den Impftermin keinen Einfluss nehmen kann, etwa weil ein Termin im Impfzentrum fest zugewiesen wurde oder die Impfung beim Arzt beispielsweise nur zu festgeschriebenen Zeiten stattfindet.

Andernfalls sei der Arbeitnehmer jedoch verpflichtet, sich um einen Termin außerhalb der Arbeitszeit zu bemühen, wobei aber ein Wechsel des Arztes nicht erforderlich sei. Bei Arbeitnehmern in Gleitzeit sei zu beachten, dass ein Arztbesuch außerhalb der Kernzeit nicht unter § 616 Satz 1 BGB falle.

Von einer pauschalen allgemeinen Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers in Hinblick auf eine Testverpflichtung der Arbeitnehmer ohne eine in einem Gesetz oder einer Verordnung normierte Rechtsgrundlage geht der Wissenschaftlich Dienst nicht aus. Letztlich dürften jedoch auch diesbezüglich die konkreten Umstände des Einzelfalles – insbesondere die konkrete Gefährdungslage und die Möglichkeit anderweitiger Schutzmaßnahmen – maßgeblich sein.

Ordnet der Arbeitgeber eine Testpflicht an, ist die Testzeit auch als Arbeitszeit zu vergüten.


Hier geht es zur Stellungnahme der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages: