Bundesrepublik ratifiziert das Übereinkommen zum Schutz der Rechte indigener Völker

Am 23. Juni 2021 hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die Ratifikationsurkunde Deutschlands zum ILO-Übereinkommen Nr. 169 zum Schutz indigener Völker an den Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) überreicht. Damit sendet Deutschland ein klares Signal zum Schutz der Rechte indigener Völker weltweit. Die Ratifizierung ist in enger Kooperation mit den deutschen Sozialpartnern erfolgt.

Früher bezeichneten Europäer sie herablassend als „Eingeborene“, „Ureinwohner“ oder „Naturvölker“: Menschen, die Nachfahren der Erstbesiedler einer Region sind, die andere Völker im Laufe der Geschichte kolonisiert haben. Zu diesen Menschen gehören etwa nordamerikanische „Indianer“, die Tuareg in der Sahara, die Tschuktschen in Sibirien, die Maori in Neuseeland oder die Aborigines in Australien. Aber auch noch viele andere Volksgruppen in Asien, Lateinamerika und Afrika. Insgesamt zwischen 350 und 440 Millionen Menschen weltweit, das sind vier bis fünf Prozent der Weltbevölkerung.

Seit mehr als 100 Jahren sorgt die ILO für verbindliche Sozial- und Arbeitsbedingungen

Seit dem 11.04.1919 sorgt die ILO für international geltende Rechtsnormen, die den Mitgliedern verbindliche Sozial- und Arbeitsbedingungen vorschreiben, nachdem diese Staaten sie ratifiziert haben. Die ILO gibt zudem Empfehlungen an Regierungen, die der Orientierung ihrer Arbeits- und Sozialpolitik dienen.

Das Besondere an der ILO ist ihr dreigliedriger Aufbau: neben den Regierungsvertreter*innen der Mitglieder sind auch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter*innen aus diesen Staaten gleichberechtigt in die Entscheidungsprozesse eingebunden. Derzeit sind 187 Staaten Mitglieder der ILO. Die ILO ist die einzige normsetzende UN-Organisation, in der Vertreter von Regierungen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden gemeinsam Arbeits- und Sozialstandards entwickeln. Dazu arbeitet sie rechtsverbindliche Übereinkommen sowie Empfehlungen an die Mitgliedstaaten aus.

Indigene Völker erleben überall auf der Welt die Folgen der Kolonisierung

Derzeit bestehen etwa 190 Übereinkommen und 200 Empfehlungen. Damit haben Gewerkschaften unmittelbar erheblichen Einfluss auf den Inhalt internationaler Rechtsnormen. Deutschland hat bisher 85 Übereinkommen ratifiziert, von denen 59 noch in Kraft sind. Darunter sind auch die acht Kernarbeitsnormen, die die Vereinigungs- und Kollektivvertragsfreiheit, das Verbot von Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, die Abschaffung von Zwangsarbeit und die Bekämpfung und Abschaffung von Kinderarbeit betreffen.

Die Rechte indigener Völker ist seit langem ein Anliegen der ILO. Diese Völker erleben überall auf der Welt die Folgen der historischen Kolonisierung und Invasion ihrer Territorien und werden aufgrund ihrer unterschiedlichen Kulturen, Identitäten und Lebensweisen diskriminiert. Sie zählen zu den politisch, wirtschaftlich und sozial stark benachteiligten und leicht verletzbaren Bevölkerungsgruppen.

Die Konvention hat zum Ziel, die allgemein geltenden Menschenrechte an die Situation indigener Völker anzupassen

Auf der anderen Seite spielen sie eine Schlüsselrolle für den Schutz der biologischen Vielfalt und des globalen Klimas. In Brasilien etwa soll durch die Sicherung der Landtitel indigener Völker und der damit direkt zusammenhängende Erhalt der Regenwälder ein aktiver Beitrag zum Schutz des globalen Klimas geleistet werden.

Die Konvention Nr. 169 der ILO ist das einzige internationale Rechtssystem zum Schutz von indigenen Rechten. Sie wurde bereits im Jahr 1989 von der ILO verabschiedet und bislang von 23 überwiegend lateinamerikanischen Staaten ratifiziert. Sie hat zum Ziel, die allgemein geltenden Menschenrechte an die besondere kulturelle und soziale Situation indigener Völker anzupassen. Sie soll auch gewährleisten, dass diese Völker maßgeblich an Projekte beteiligt werden, die sie betreffen.

In der Bundesrepublik Deutschland leben indessen keine indigenen Völker. Warum hat sie gleichwohl jetzt die Konvention ratifiziert? Unser Land nimmt für sich in Anspruch, an internationalen Prozessen zur völkerrechtlichen Standardsetzung maßgeblich beteiligt zu sein. Daher ist es selbstverständlich daran interessiert, menschenwürdige Standards zu ratifizieren und ihnen damit zu größerer internationaler Anerkennung zu verhelfen. Zudem bekennt sich die Bundesrepublik zu einem internationalen Kontrollsystem zur Durchsetzung der Rechte indigener Völker.

Für die Gewerkschaften sind der Schutz und die Gleichstellung indigener Bevölkerungsgruppen unabdingbarer Bestandteil einer pluralistischen Gesellschaftsordnung

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) war maßgeblich am Prozess der Ratifizierung beteiligt. Der Schutz und die Gleichstellung indigener Bevölkerungsgruppen sei unabdingbarer Bestandteil einer pluralistischen Gesellschaftsordnung, sagt der Vorsitzende des DGB, Reiner Hoffmann, zur Ratifizierung und fügt hinzu: „Wir begrüßen es sehr, dass die Bundesregierung mit der Ratifizierung des Übereinkommens 169 ein klares Zeichen setzt. Sie kommt dadurch ihrer globalen Verantwortung im Hinblick auf die Förderung einer weltumspannenden Wertegemeinschaft nach.“

Indigene Völker seien weltweit in ihrer Existenz bedroht, darauf weist der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, hin. Häufig seien sie vom politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben ihres Landes ausgeschlossen. „Dagegen möchten wir ein weltweites Zeichen setzen“, so der Arbeitsminister. Er ruft andere Staaten dazu auf, das Übereinkommen ebenfalls anzuerkennen und zu ratifizieren und ihm damit Gewicht zu verleihen.

Arbeitsminister Heil ruft andere Staaten auf, die Konvention ebenfalls zu ratifizieren

„Obwohl in Deutschland keine indigenen Bevölkerungsgruppen leben, haben wir die Ratifizierung des Übereinkommens in dieser Legislaturperiode vorangetrieben und bekennen uns ausdrücklich zu seinen Zielen.“, so Hubertus Heil.

Die Bundesrepublik reiht sich damit in die Riege von Staaten wie die Niederlande, Spanien, Dänemark, Norwegen oder Luxemburg ein, die bereits zuvor unter vergleichbaren Bedingungen die ILO-Konvention 169 ratifiziert haben.

„In diesem Kontext gewinnt die ILO-Konvention 169 mit jedem weiteren Signatarstaat an Gewicht. Gerade politisch und wirtschaftlich gewichtige Industriestaaten wie die Bundesrepublik Deutschland sind aufgefordert, mit der Ratifizierung diesen universell gültigen Normenkatalog zu stützen, der indigenen Völkern global vor allem den Zugang zu rechtsstaatlichen Garantien ermöglicht. Dies wäre nicht zuletzt ein Beitrag zur Bewältigung globaler Risiken – etwa in Fragen der Ökologie, des nachhaltigen Wirtschaftens und der Friedenssicherung“, forderte im Vorfeld der Ratifizierung der ILO 169-Koordinierungskreis, ein Zusammenschluss von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Netzwerken und Expert*innen.

Hier geht es zum Beitrag „Indigene Völker und ihre Rechte“ auf der Website der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO):

Hier geht es zur Website des Bundesarbeitsministeriums:

https://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Meldungen/2021/ilo-uebereinkommen-zum-schutz-indigener-voelker-ratifiziert.html