Haben Arbeitgeber Fahrradkurieren Rad und Smartphone zur Verfügung zu stellen?

Das Hessische Landes­arbeits­gericht (LAG) hatte am 12. März 2021 über die Klagen zweier Fahrradkuriere eines Lieferdienstes zu entschieden. Einer der Auslieferer, der Bestellungen von Essen und Getränken bei Restaurants abholt und zu den Kunden bringt, forderte von seinem Arbeitgeber, dass ihm für seine Tätigkeit ein Fahrrad und ein Smartphone zur Verfügung gestellt wird. Er begründete dies damit, dass er nicht verpflichtet sei, sein eigenes Fahrrad und sein eigenes Smartphone einschließlich des erforderlichen Datenvolumens für die Internetnutzung zu verwenden. Der Kollege des Klägers, dessen Arbeitsvertrag die gleichen Konditionen hatte, verlangte lediglich ihm für die Auslieferung ein Smartphone zur Verfügung zu stellen.

Landesarbeitsgericht Hessen, Urteile vom 19. Februar 2021, Az; 14 Sa 306/20 und 14 Sa 1158/20 –

Arbeitgeber stellt weder Fahrrad noch Smartphone

Zwischen den Arbeitsvertragsparteien wurde vereinbart, dass die Fahrradkuriere während der Einsätze Ausstattung („Equipment“) des Lieferdienstes benutzen. In separaten Verträgen wurde geregelt, dass für das Equipment ein Pfand von 100 € einbehalten wird. Zu diesem Equipment gehören weder das Fahrrad noch ein Smartphone. Ein Smartphone ist notwendig, weil die App des Lieferdienstes verwendet werden muss. Nach dem Arbeitsvertrag sind die Kläger verpflichtet, nur auf Fahrrädern in verkehrstauglichem Zustand zu fahren. Außerdem können sie – was nicht im Arbeitsvertrag geregelt wurde – je gearbeiteter Stunde ein Guthaben von 0,25 € für Fahrradreparaturen bei einem Vertragspartner ihres Arbeitgebers abrufen.

Kläger erheben Klage

Um ihre Ansprüche durchzusetzen, erhoben die Kläger Klagen beim Frankfurter Arbeitsgericht, die jedoch erfolglos blieben. Gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen legten sie Berufung beim Hessischen Landesarbeitsgericht (LAG) ein.

Betriebsmittel und deren Kosten sind vom Arbeitgeber zu stellen

Zu einem anderen Ergebnis als die Richter*innen des erstinstanzlichen Gerichts  kam das Berufungsgericht. Das LAG gab den Fahrradlieferanten im Berufungsverfahren Recht.

Die Arbeitsverträge, so das Gericht, der Fahrradlieferanten seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu überprüfen. Die Regelung, dass Fahrrad und Smartphone ohne finanziellen Ausgleich selbst mitgebracht werden müssten, benachteilige nach der Vertragsgestaltung die Lieferfahrer unangemessen. Betriebsmittel und deren Kosten seien nach der gesetzlichen Wertung vom Arbeitgeber zu stellen. Er trage auch das Risiko, wenn diese nicht einsatzfähig seien. Damit müsse der Lieferdienst Fahrrad bzw. Smartphone zur Verfügung stellen.

Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen

Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Hessische Landesarbeitsgericht in beiden Fällen die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Die Frage, ob ein Arbeitnehmer einen klagbaren Anspruch auf Überlassung von für die Erbringung seiner Arbeitsleistung erforderlichen Arbeitsmitteln hat oder auf die Möglichkeit verwiesen werden kann, Annahmeverzugslohn einzuklagen, wenn sie ihm nicht zur Verfügung gestellt werden, ist, soweit erkennbar, noch nicht höchstrichterlich entschieden.

Hier geht es zu der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 19. Februar 2021, Az: 14 Sa 306/20:

https://openjur.de/u/2343976.html

Hier geht es zu der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 19. Februar 2021, Az: 14 Sa 1158/20

https://openjur.de/u/2343975.html