Rentenbescheide müssen nachvollziehbar und verständlich sein

Foto: AlbÖhi 06-2021

Rentenbescheiden müssen die wesentlichen Elemente, die zur Prüfung der Richtigkeit der Berechnung der Rentenhöhe unerlässlich sind entnommen werden können. Dies hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen entschieden.

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.03.2021
– L 18 R 306/20 –

Der beklagte Rentenversicherungsträger gewährte der Klägerin Altersrente und fügte den Bescheiden die Anlagen „Berechnung der Rente“, „Versicherungsverlauf“ und „Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte“ bei.

Keine Kostenerstattung bei erfolgreichem Widerspruch – Sozialgerichtgibt Klage statt

Die Rentenbezieherin legte Widerspruch gegen den Bescheid ein und bat den Rentenversicherungsträger um nachvollziehbare Berechnungsunterlagen. Nach Übersendung der erbetenen Anlagen erklärte sie ihren Widerspruch für erledigt. Zugleich beantragte sie die Erstattung der im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten, was der Rentenversicherungsträger ablehnte. Begründet wurde dies damit, dass der Widerspruch nicht erfolgreich gewesen sei, da die Bescheide bereits vor der Übersendung der weiteren Anlagen ausreichend begründet gewesen seien. Das Sozialgericht (SG) Aachen gab der Klägerin Recht. Der Rentenversicherungsträger konnte sich mit der Entscheidung nicht anfreunden und legte gegen diese Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen ein.

Landessozialgericht: Begründungspflicht begrenzt Vereinfachung

Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und wies die Berufung der Beklagten zurück. Diese habe bereits 2015 begonnen, das Design der Bescheide dadurch zu verändern, dass sie sie persönlicher und verständlicher formulieren und ansprechender gestalten wollte, insbesondere durch Verzicht auf den Versand bestimmter Anlagen zugunsten von erläuternden Texten. Die Reform, so das LSG, finde allerdings ihre Grenze u.a. in der Begründungspflicht. Denn es sei nicht möglich, den Text eines Bescheides dadurch zu verschlanken, dass man komplexe, für den Laien kaum verständliche Regelungen auf Kosten der Nachvollziehbarkeit weglasse.

Berechnung muss nachvollziehbar sein!

Die Berufungsrichter*innen kamen zu dem Ergebnis, dass es an einer ausreichenden Begründung fehle. Denn die Anlagen „Berechnung der Entgeltpunkte aus den Beitragszeiten“, „Berechnung der Entgeltpunkte aus beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten“ und „Versorgungsausgleich“ seien wesentliche Begründungselemente, ohne die die „Berechnung der Rente“, die lediglich die Summe der Entgeltpunkte mitteile, für Versicherte nicht verständlich sei.

Insbesondere könnten diese nicht nachvollziehen, aufgrund welcher Berechnungsgrundlagen sich die mitgeteilte Rentenhöhe ergebe und ob die von ihnen in den sich aus dem Versicherungsverlauf ergebenden Zeiträumen erzielten Einkünfte zutreffend der Ermittlung der Entgeltpunkte zugrunde gelegt worden seien.  

Hier geht es zur Pressemitteilung des LSG NRW:

https://www.lsg.nrw.de/behoerde/presse/Pressemitteilungen_des_Jahres_2021/Aktuelle_Pressemitteilungen/Rentenbescheide_mit_Begruendungsmangel/index.php

Rechtliches: § 35 Abs. 1 SGB X – Begründung des Verwaltungsaktes

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X)
§ 35 Begründung des Verwaltungsaktes

(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.