Wenn der Wahlvorstand schlampt!

Bei einer Wahl zum Betriebsrat hat der Wahlvorstand dafür Sorge zu tragen, dass die Vorgaben der Wahlordnung eingehalten werden, um nicht Gefahr zu laufen, dass die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt wird. Wenn die Stimmzettel ohne Wahlumschläge abgegeben werden, kann dies zur Unwirksamkeit der Wahl führen?

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20.1.2021, Az: 7 ABR 3/20

Nach § 11 der Wahlordnung (WO) hat die Stimmabgabe durch Abgabe von Stimmzetteln in den hierfür bestimmten Umschlägen (Wahlumschlägen) zu erfolgen.

Obwohl diese klare und leicht verständliche gesetzliche Vorgabe zwingend einzuhalten ist, hielt es ein Wahlvorstand für angezeigt keine Wahlumschläge verwenden zu müssen.

Drei Arbeitnehmerinnen fechten die Wahl an

Nach Durchführung der Betriebsratswahl beantragten drei wahlberechtigte Arbeitnehmer*innen am 8.6.2018 beim Arbeitsgericht Bonn die

Betriebsratswahl vom 24. Mai 2018 für nichtig zu erklären,

hilfsweise die Betriebsratswahl vom 24. Mai 2018 für unwirksam zu erklären

Die Antragstellerinnen vertraten die Auffassung, der Wahlvorstand habe dadurch, dass er die Stimmabgabe im Wahllokal ohne Verwendung von Wahlumschlägen durchführen ließ, gegen §§ 11 Abs. 1, 12 Abs. 3 WO verstoßen, da er die Stimmabgabe im Wahllokal ohne Verwendung von Wahlumschlägen durchführen ließ.

Das Arbeitsgericht hat den Hauptantrag abgewiesen und dem Hilfsantrag entsprochen. Eine hieraufhin vom Betriebsrat eingelegte Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG) Köln wurde durch das Beschwerdegericht zurückgewiesen.

Mit seiner beim Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegten Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Abweisungsantrag weiter. Die Antragstellerinnen beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

Stimmabgabe ohne Wahlumschläge=Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften

In seiner Entscheidung vom 20.1.2021 bestätigte das BAG die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl, da der Wahlvorstand gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen hatte, indem er die Stimmabgabe entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 WO und § 12 Abs. 3 WO ohne Verwendung von Umschlägen für die Stimmzettel durchführen ließ.

§ 11 Abs. 1 Satz 2 WO regelt ausdrücklich, dass die Stimmabgabe durch die Abgabe von Stimmzetteln in den hierfür bestimmten Umschlägen zu erfolgen hat. Aus § 12 Abs. 3 WO ergibt sich, dass Wahlumschläge zu verwenden sind. Somit kann es keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass die Wahlordnung die Verwendung von Umschlägen, die vom Wahlvorstand für die Wähler*innen zur Verfügung zu stellen sind, zwingend vorschreibt. Denn diese Bestimmungen der Wahlordnung dienen dem elementaren Grundsatz der geheimen Betriebsratswahl.

Nach dem Grundsatz der geheimen Wahl darf die Abgabe der Stimme des einzelnen Arbeitnehmers keinem anderen Arbeitnehmer bekannt werden. Arbeitnehmer*innen, die ihre Stimme bei der Betriebsratswahl abgeben, sollen vor jeglichem sozialen Druck geschützt werden. Jede(r) Wähler*in soll nach seiner/ihrer freien Überzeugung unbeeinflusst wählen können.

Bei der Verwendung von Wahlumschlägen wäre das Wahlergebnis möglicherweise anders ausgefallen

Nach der Entscheidung des BAG ist es nicht auszuschließen, dass das Wahlergebnis bei Verwendung von Wahlumschlägen anders ausgefallen wäre. Somit war die Betriebsratswahl unwirksam. Die Wahl muss wiederholt werden.

Hier geht es zum Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 20.1.2021:

http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&nr=25010

Rechtsgrundlage:

§ 11 WO Stimmabgabe

(1) Die Wählerin oder der Wähler kann ihre oder seine Stimme nur für eine der als gültig anerkannten Vorschlagslisten abgeben. Die Stimmabgabe erfolgt durch Abgabe von Stimmzetteln in den hierfür bestimmten Umschlägen (Wahlumschlägen)

 (2) Auf den Stimmzetteln sind die Vorschlagslisten nach der Reihenfolge der Ordnungsnummern sowie unter Angabe der beiden an erster Stelle benannten Bewerberinnen oder Bewerber mit Familienname, Vorname und Art der Beschäftigung im Betrieb untereinander aufzuführen; bei Listen, die mit Kennworten versehen sind, ist auch das Kennwort anzugeben. Die Stimmzettel für die Betriebsratswahl müssen sämtlich die gleiche Größe, Farbe, Beschaffenheit und Beschriftung haben. Das Gleiche gilt für die Wahlumschläge.

(3) Die Wählerin oder der Wähler kennzeichnet die von ihr oder ihm gewählte Vorschlagsliste durch Ankreuzen an der im Stimmzettel hierfür vorgesehenen Stelle. (4) Stimmzettel, die mit einem besonderen Merkmal versehen sind oder aus denen sich der Wille der Wählerin oder des Wählers nicht unzweifelhaft ergibt oder die andere Angaben als die in Absatz 1 genannten Vorschlagslisten, einen Zusatz oder sonstige Änderungen enthalten, sind ungültig.

§ 12 WO Wahlvorgang

(1) Der Wahlvorstand hat geeignete Vorkehrungen für die unbeobachtete Bezeichnung der Stimmzettel im Wahlraum zu treffen und für die Bereitstellung einer Wahlurne oder mehrerer Wahlurnen zu sorgen. Die Wahlurne muss vom Wahlvorstand verschlossen und so eingerichtet sein, dass die eingeworfenen Wahlumschläge nicht herausgenommen werden können, ohne dass die Urne geöffnet wird.

(2) Während der Wahl müssen immer mindestens zwei stimmberechtigte Mitglieder des Wahlvorstands im Wahlraum anwesend sein; sind Wahlhelferinnen oder Wahlhelfer bestellt (§ 1 Abs. 2), so genügt die Anwesenheit eines stimmberechtigten Mitglieds des Wahlvorstands und einer Wahlhelferin oder eines Wahlhelfers.

(3) Die Wählerin oder der Wähler gibt ihren oder seinen Namen an und wirft den Wahlumschlag, in den der Stimmzettel eingelegt ist, in die Wahlurne ein, nachdem die Stimmabgabe in der Wählerliste vermerkt worden ist.

(4) Wer infolge seiner Behinderung bei der Stimmabgabe beeinträchtigt ist, kann eine Person seines Vertrauens bestimmen, die ihm bei der Stimmabgabe behilflich sein soll, und teilt dies dem Wahlvorstand mit. Wahlbewerberinnen oder Wahlbewerber, Mitglieder des Wahlvorstands sowie Wahlhelferinnen und Wahlhelfer dürfen nicht zur Hilfeleistung herangezogen werden. Die Hilfeleistung beschränkt sich auf die Erfüllung der Wünsche der Wählerin oder des Wählers zur Stimmabgabe; die Person des Vertrauens darf gemeinsam mit der Wählerin oder dem Wähler die Wahlzelle aufsuchen. Sie ist zur Geheimhaltung der Kenntnisse verpflichtet, die sie bei der Hilfeleistung zur Stimmabgabe erlangt hat. Die Sätze 1 bis 4 gelten entsprechend für des Lesens unkundige Wählerinnen und Wähler.

 (5) Nach Abschluss der Stimmabgabe ist die Wahlurne zu versiegeln, wenn die Stimmenzählung nicht unmittelbar nach Beendigung der Wahl durchgeführt wird. Gleiches gilt, wenn die Stimmabgabe unterbrochen wird, insbesondere wenn sie an mehreren Tagen erfolgt.