Foto: © Adobe Stock / Von: Schulz-Design
Der für das Disziplinarrecht der Bundesbeamten zuständige 6. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts überprüfte am 16.4.2021 die Berufung eines Bundespolizeibeamten gegen ein am 23.10.2019 ergangenes Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 16.04.2021 – 6 LD 4/19 –
Verwaltungsgericht Hannover folgt Rechtsauffassung des Dienstherrn
Seit Mitte 2009 war der Beamte bei der Bundespolizeidirektion Hannover in der Funktion eines Polizeiobermeisters tätig.
Nachdem der Dienstherr im Februar 2015 gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet hatte wurde ihm im Mai 2015 die Führung der Dienstgeschäfte verboten. Zu einer vorläufigen Enthebung des Dienstes kam es Ende Juli 2015. Die Dienstbezüge wurden ab November 2015 gekürzt. Es kam zu einer mehrfachen Ausweitung des Disziplinarverfahrens.
Im Januar erhob die Bundespolizeidirektion Hannover Disziplinarklage beim Verwaltungsgericht Hannover. Vorgeworfen wurden dem Polizeiobermeister zahlreiche inner- und außerdienstliche Pflichtenverstöße. Dazu haben neben etlichen anderen Vorwürfen die strafrechtlich geahndeten Vorwürfe des Verleumdens und des unberechtigten Fotografierens eines in Gewahrsam genommenen marokkanischen Staatsangehörigen, des Verbreitens des von dem marokkanischen Staatsangehörigen gefertigten Fotos, des unerlaubten Besitzes von Munition und einer Schusswaffe sowie des unerlaubten Besitzes von 120 kinder- und 188 jugendpornographischen Schriften gehört. Insoweit war der Polizeiobermeister zuvor bereits zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten und drei Wochen, die zur Bewährung ausgesetzt worden war, verurteilt worden. Des Weiteren beinhaltete die Disziplinarklage den Vorwurf des unaufgeforderten Versendens eines pornographischen Fotos an ein 14jähriges Mädchen. Auch deswegen trat der Polizeiobermeister strafrechtlich in Erscheinung. Es wurde eine Geldstrafe gegen ihn verhängt.
Oberverwaltungsgericht bestätigt erstinstanzliche Entscheidung
Die Berufung des Bundesbeamten gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) zeitigte für den Beamten keinen Erfolg. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) wies die Berufung zurück,
Die Richter*innen des OVG gingen bei ihrer Entscheidung davon aus, dass der Polizeiobermeister in der Zeit von 2010 bis 2015 zahlreiche gravierende Dienstpflichtverletzungen und damit ein sehr schwerwiegendes Dienstvergehen begangen habe. Der Polizeiobermeister habe schon allein mit den strafrechtlich geahndeten Taten in ganz erheblicher Weise gegen die ihm als Polizeibeamten obliegenden Pflichten verstoßen. Er habe darüber hinaus mehrere weitere gravierende Dienstpflichtverletzungen begangen. Es sei als erwiesen anzusehen, dass er einem Kollegen eine WhatsApp-Nachricht mit herabwürdigenden Äußerungen über einen Ausländer übersandt habe. Er habe außerdem mit seinem Handy ein Foto von einem in Gewahrsam Genommenen gefertigt, der in wehrloser Position auf dem Boden eines Dienstfahrzeugs gelegen habe. Ferner habe er sowohl eine Polizeianwärterin als auch einen Polizeianwärter während des Dienstes sexuell belästigt. Dabei habe er dem Polizeianwärter während der Verfehlung seine Dienstwaffe an den Kopf gehalten und ihn zu einer sexuellen Handlung aufgefordert. Er habe zudem während des Dienstes im hinteren Teil seines Dienstfahrzeugs einvernehmlich mit einer Bekannten sexuelle Handlungen vollzogen, während ein Kollege vorn im Fahrzeug gesessen habe. Schließlich habe er vertrauliche Informationen, die er in seiner Eigenschaft als Suchthelfer der Bundespolizeiinspektion Hannover erlangt habe, unbefugt weitergegeben.
Nach Auffassung des OVG erfordern die begangenen Dienstvergehen den Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
Angesichts der Vorbildfunktion eines Polizeibeamten, so die Richter*innen, seien die von diesem begangenen Straftaten nicht hinnehmbar. Dies gelte auch für die weiteren Pflichtverletzungen, die nicht strafrechtlich geahndet worden seien.
Keine entlastenden Gesichtspunkte
Entlastende Gesichtspunkte, die es rechtfertigen könnten, von der disziplinarischen Höchstmaßnahme abzusehen, bestünden nicht. Insbesondere liege der von dem Polizeiobermeister geltend gemachte Milderungsgrund einer „Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ nicht vor.
Selbst wenn das Vorbringen des Polizeiobermeisters dazu als wahr unterstellt würde, habe es bereits an einer zugespitzten negativen Lebensphase gefehlt, die für die Begehung der Taten unmittelbar ursächlich gewesen wäre. Denn die von ihm vorgetragenen belastenden Umstände seien fortdauernd während einer langen Zeitspanne von etwa fünf Jahren aufgetreten. Gegen die Annahme, dass den Polizeiobermeister im Tatzeitraum außergewöhnliche Umstände „zeitweilig aus der Bahn geworfen“ hätten, spreche zudem auch, dass er während der gesamten Zeit in der Lage gewesen sei, seinen Dienst zu verrichten, eine Nebentätigkeit als „Leiter einer Selbsthilfegruppe für Suchtkranke im Diakonischen Werk“ auszuüben und als Sucht- und Sozialhelfer bei der Bundespolizeidirektion Hannover tätig zu sein.
Die Gesamtwürdigung der den Polizeiobermeister belastenden Umstände und der zu seinen Gunsten sprechenden entlastenden Gesichtspunkte ergebe, dass sich der Polizeiobermeister im Hinblick auf die Erfüllung seiner Dienstpflichten als Polizeibeamter in einem so hohen Maße als unzuverlässig erwiesen habe, dass er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren habe. Der durch die gravierenden Dienstpflichtverletzungen eingetretene Autoritäts- und Ansehensverlust sei nach der Überzeugung des 6. Senats nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Keine Zulassung der Revision durch das OVG
Die Revision gegen das Urteil hat der 6. Senat nicht zugelassen, weil keiner der gesetzlich geregelten Zulassungsgründe gegeben ist. Der Polizeiobermeister kann gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde einlegen.
Hier geht es zur Pressemitteilung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16.4.2021: