Freier Warenverkehr und Menschenrechte – Lieferkettengesetz beschlossen

Am 11. Juni 2021 hat der Bundestag das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten verabschiedet, das sogenannte „Lieferkettengesetz“. In Kraft tritt es erst 2023. Es geht darum, dass die Unternehmen im Warenverkehr Menschenrechte besser achten und wir alle mit der Umwelt sorgsamer umgehen. Ob die neuen Bestimmungen ausreichen, ist allerdings fraglich.

Das Ziel ist, dass große Unternehmen ein verantwortliches Management ihrer Lieferketten betreiben. Sie sollen darauf achten, dass Zulieferer und Partner im Ausland wesentliche Menschenrechte einhalten und auch die Belange des Umweltschutzes hinreichend berücksichtigen, so das erklärte Ziel der Bundesregierung. Im März 2021 hatte sie einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt.

Unternehmen sollen danach einen klaren, verhältnismäßigen und zumutbaren gesetzlichen Rahmen zur Erfüllung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten erhalten. Der Entwurf korrespondiert mit einem Nationalen Aktionsplan (NAP) Wirtschaft und Menschenrechte, den die Bundesregierung am 21. Dezember 2016 im Bundeskabinett verabschiedet hatte.

Es gilt Menschenrechtsverpflichtungen wie die Internationale Menschenrechtscharta oder die ILO-Kernarbeitsnormen durchzusetzen

Grundlage des NAP sind die Leitprinzipien der Vereinten Nationen (VN- Leitprinzipien), die wiederum auf bestehenden Menschenrechtsverpflichtungen wie der Internationalen Menschenrechtscharta oder den ILO-Kernarbeitsnormen beruhen. Dazu zählen etwa das Verbot von Kinderarbeit, der Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit, der Arbeitsschutz und damit zusammenhängende Gesundheitsgefahren, die Zahlung eines angemessenen Lohns, das Recht Gewerkschaften und Mitarbeitervertretungen zu bilden sowie der Zugang zu Nahrung und Wasser.

Die VN- Leitprinzipien stehen auf drei Säulen:

  1. der staatlichen Pflicht zum Schutz der Menschenrechte,
  2. der unternehmerischen Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte und
  3. dem Zugang zu Abhilfe für Betroffene von Menschenrechtsverstößen.

Diesen Prinzipien soll das neue Lieferkettengesetz genügen. Die Gegenwart sieht nämlich düster aus. So haben die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) anlässlich des Welttages gegen Kinderarbeit am 12. Juni 2021 einen Bericht mit aktuellen Zahlen und Prognosen zur Kinderarbeit weltweit veröffentlicht.

Jetzt geht es darum, alle Kräfte zu bündeln und Kinderarbeit überall in der Welt zu ächten

Anfang 2020 waren demnach 160 Millionen Kinder von Kinderarbeit betroffen. Etwa die Hälfte davon arbeitete unter besonders ausbeuterischen und gefährlichen Bedingungen. Damit verbringen weltweit acht Millionen Kinder mehr als noch 2016 ihre Kindheit mit Erwerbsarbeit, zum großen Teil unter Bedingungen, für die das Wort „ausbeuterisch“ euphemistisch wäre.

Der Bericht alarmierte auch den Bundesarbeitsminister. Kinderarbeit sei nicht hinnehmbar und überall inakzeptabel. Deshalb gehe es jetzt darum, alle Kräfte zu bündeln und Kinderarbeit überall in der Welt zu ächten und entschieden zu bekämpfen, erklärt Hubertus Heil auf der Homepage seines Ministeriums.

„Wir müssen auch in Deutschland unsere Anstrengungen erheblich verstärken, um die Ziele der VN-Nachhaltigkeitsagenda 2030 zu erreichen“, verdeutlicht Arbeitsminister Heil die Absichten seines Ressorts und fügt hinzu: „Das nationale Lieferkettengesetz ist ein ganz wichtiger Meilenstein in diesem Kampf. Denn es bezieht ausdrücklich die ILO-Kernarbeitsnormen ein und damit auch das Mindestalter für Beschäftigung und das Verbot und Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit. Jetzt geht es darum, auch in Europa und weltweit für gesetzliche Regelungen von Unternehmensverantwortung in Lieferketten einzutreten.“

Die Privatwirtschaft verdient jedes Jahr 150 Milliarden US-Dollar mit Zwangsarbeit

Kinderarbeit unter gesundheits- und zum Teil lebensgefährlichen Bedingungen ist aber nur ein Übel in der Weltwirtschaft, wenn auch ein besonders widerwärtiges. Nach Schätzungen der ILO werden jährlich fast 21 Millionen Menschen durch Zwangsarbeit ausgebeutet. Die Privatwirtschaft verdient jedes Jahr schätzungsweise 150 Milliarden US-Dollar mit Zwangsarbeit, vor allem durch sexuelle Ausbeutung in der Sexindustrie und die Ausbeutung der Arbeitskraft.

So weit, so gut. Was hat das jetzt aber mit uns zu tun? Und können wir überhaupt etwas dagegen tun?  An dieser Stelle empfiehlt sich, kurz darüber nachzudenken, was eigentlich „Lieferketten“ sind und was Warenwirtschaft – vereinfacht – bedeutet. Für uns sind Weltwirtschaft und Welthandel wie sie funktionieren beinahe eine Art Naturgesetz. Wir können uns nicht wirklich vorstellen, dass Versorgung anders funktionieren kann als mit globalem Handel, internationalem Finanzwesen und Geldschöpfung durch Kredite. Dabei ist das Ganze eine ziemlich moderne Angelegenheit. Die Geschichte des Homo Sapiens ist rund 250.000 bis 300.000 Jahre alt, so ganz genau weiß das niemand.

Sicher ist, dass unser Planet nur über begrenzte Ressourcen verfügt

Die historische Zeit, also die Zeit, in der wir die Geschichte der Menschheit einigermaßen nachzeichnen können, weil es schriftliche Zeugnisse gibt, dauert seit etwa 3.000 Jahren an, wenn man die sogenannte „Frühgeschichte“ dazu zählt. Aber selbst der weitaus größte Teil dieser Zeit kam völlig ohne Kapitalismus aus. Freilich hat keine andere Epoche der Menschheitsgeschichte Technologie und Wohlstand vorangebracht wie der Kapitalismus. Es gibt aber nach allen ökonomischen Theorien von rechts bis links für ihn eine Voraussetzung, eine conditio sine qua non: Wachstum.

Auch wenn wir mit Sokrates vor allem wissen, dass wir nicht wissen, dürfte eine Erkenntnis gesichert sein: unser Planet verfügt nur über begrenzte Ressourcen, was denknotwendig permanentes Wachstum unmöglich macht. Wenn wir die Sache jetzt also nicht metaphysisch betrachten, sondern mit den Erkenntnissen der Wissenschaft, wird zudem klar, dass wir uns auch nicht schnell einmal eine neue Erde aus dem Hut zaubern können.

Ein Artikel über das Lieferkettengesetz sollte aber nicht zu einem Aufsatz über die Grenzen des Wachstums werden oder in Kapitalismuskritik ausarten. Das sind für einen solchen Artikel auch Dinge, die viel zu komplex sind. Daher betrachten wir hier nur ein Phänomen, das freilich viel älter ist als der Kapitalismus: was macht ein Ding eigentlich zur Ware?

Waren will man verkaufen, das ist ihr Zweck

Damit haben sich indessen bereits viele kluge Geister auseinandergesetzt. Wichtige englische Nationalökonomen wie Adam Smith und David Riccardo etwa. Beide haben einen Denker wie Karl Marx inspiriert. Für diesen ist Ware zunächst ein äußerer Gegenstand, ein Ding, das durch seine Eigenschaften menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art befriedigt. Dabei ist völlig wurscht, ob diese Bedürfnisse, dem Magen oder der Fantasie entspringen. Wichtig ist nur, dass es Menschen gibt, die diese Dinge brauchen oder glauben zu brauchen.

Der Grund liegt darin, dass ein Produzent Waren nicht herstellt, um sie selbst zu ge- oder verbrauchen. Er stellt sie auch nicht her, um damit jemand konkreten zu beglücken, etwa einen Kunden. Ein Tischler, der von einem Kunden den Auftrag für einen Tisch bekommt, stellt keine Ware her. Er erstellt vielmehr auf der Grundlage einer Vereinbarung ein Werk her. Deshalb heißen solche Vereinbarungen im deutschen Recht auch Werkverträge.

Eine Ware hat demgegenüber eine völlig andere Eigenschaft. Der Produzent stellt sie her, um sie zu verkaufen. Er weiß nicht, ob es ihm je gelingen wird oder ob er überhaupt den Preis dafür bekommen wird, den er haben will. Er bedient sich einer Institution, die es zwar seit der Antike in Ansätzen gegeben hat: dem „Markt“, also der Möglichkeit, auf diesem oder jenem Weg seine Ware loszuwerden. War dieser Markt aber bis in die Neuzeit hinein nur eine Möglichkeit unter vielen, an begehrte Produkte heranzukommen, bestimmt er heute unser ganzes Leben.

Der Tauschwert einer Ware wird durch die aufgewendete Arbeit bestimmt

Die Eigenschaft einer Ware bestimmt ihren Gebrauchswert. Der hat aber gleich zwei Probleme: zum einen ist er sehr individuell, ein Kilo Rindfleisch hat für den einen hohen Gebrauchswert, wohingegen es für einen Vegetarier wertlos ist. Zum anderen lassen sich Gebrauchswerte auch nicht miteinander vergleichen. Es gibt keine Möglichkeit den Wert eines Kilos Rindfleisch in Geld nach dem Gebrauchswert zu bestimmen, da der Wert variabel ist.

Smith, Riccardo und Marx waren sich mit vielen Experten darin einig, dass nicht der Gebrauchswert, sondern der davon nicht abhängige Tauschwert einer Ware dessen Preis – neben marktwirtschaftlichen Prozessen wie Angebot und Nachfrage – im Wesentlichen bestimmt. Und der Tauschwert wiederum wird bestimmt durch das quantitative und qualitative Maß an Lebenszeit, die ein Mensch benötigt, um die Ware herzustellen. Das ist die sogenannte Arbeitswerttheorie, die bis heute trotz einiger Angriffe von Seiten neoliberaler Ökonomen wacker standgehalten hat. Wohingegen Anhänger des Wirtschaftsliberalismus beinahe nach jeder Krise ihre eigenen Ansätze neu überdenken müssen.

Keine Bange, wir bekommen die Kurve schon zurück zum Lieferkettengesetz. Allerdings sind zuvor noch einige Kleinigkeiten zu klären. Wir leben nämlich nicht nur in einer Marktwirtschaft, sondern auch im Kapitalismus. Und unter dessen Bedingungen hat sich die Gesellschaft im Wesentlichen in zwei Gruppen geteilt, die freilich unterschiedlich groß sind.

Heute gehört eine Ware in der Regel nicht mehr dem, der sie produziert

Die wesentlich kleinere Gruppe zeichnet sich dadurch aus, dass sie aus Menschen besteht, die Eigentümer oder Anteilseigner von Produktionsmitteln sind. Das ist denn auch gleichzeitig ihr Beruf: sie produzieren selbst gar nichts, sondern lassen produzieren, und zwar von Angehörigen der zweiten, wesentlich größeren Gruppe. Von Menschen, die gezwungen sind, einen großen Teil ihrer Lebenszeit zu veräußern, und zwar zumeist an Angehörige der ersten Gruppe.

Das ändert wiederum Einiges: während ursprünglich derjenige die Waren produziert, dem sie dann auch gehören, produziert sie nunmehr ein*e Arbeitnehmer*in für einen Arbeitgeber, der Eigentümer dieser Waren wird und sie verkauft. Er zahlt zwar denjenigen, die die Ware produzieren einen Arbeitslohn. Der entspricht aber nicht den Wert der Arbeitskraft, die der Arbeitnehmer für die Produktion benötigt hat.

Der Kapitalist „erbeutet“ vielmehr einen Teil dieses Wertes, deshalb spricht Marx auch von „Ausbeutung“. Das ist für ihn kein moralischer Ausdruck, sondern meint schlicht, dass der Produzent der Ware nur einen Teil des Wertes bekommt, den er erzeugt hat. Ob das 10 Prozent oder 95 Prozent sind spielt keine Rolle.

An dieser Stelle trete ich jeden Verdacht entgegen, Verschwörungstheorien zu kolportieren. Kapitalisten sind in aller Regel keine bösen Menschen, die sich gegen den Rest der Menschheit verschwören und nach Weltherrschaft streben.

Marx ging davon aus, dass die Massen im Kapitalismus verelenden

Der Kapitalist ist vielmehr ein Getriebener der Verhältnisse. Er herrscht zwar über Kapital, kann darüber aber nicht nach freiem Willen verfügen. Weil er permanent zur Aufrechterhaltung seiner Herrschaft gezwungen ist, Innovation zu betreiben und neue Märkte zu erschließen. Andererseits wird das Kapital hauptsächlich durch Lohnarbeit erzeugt. Es ist kein durch Leistung selbst erzeugtes Eigentum des Kapitalisten. Das Kapital ist zwar rechtlich Privatpersonen zugeordnet. Tatsächlich ist es aber bereits vergesellschaftet.

Marx ging davon aus, dass die Massen im Kapitalismus verelenden, weil die Profitraten sinken und der Kapitalist aufgrund der Verhältnisse gezwungen ist, die Löhne abzusenken. Der Kapitalist selbst hat aber überhaupt kein wirkliches Interesse, dass die Löhne unter das Existenzminimum sinken, weil ja leistungsfähige Arbeitskräfte braucht.

Solange der Kapitalist andere Maßnahmen zur Verfügung hat wie technische Innovationen und die Erschließung neuer Märkte, wird er nicht gezwungen sein, die Arbeitseinkommen zu stark abzusenken. Zudem stehen ihm jedenfalls in Deutschland starke Gewerkschaften gegenüber, die dafür sorgen, dass die Interessen der Beschäftigten mit Macht vertreten werden.

Und jetzt kommen wir langsam zu den Lieferketten zurück. Hierbei handelt es sich um ein Netzwerk von Unternehmen. Gleichsam an der Spitze steht zumeist ein großes westeuropäisches oder amerikanisches Unternehmen, das fertige Produkte anbietet, etwa ein Smartphone. Das wird von dem Unternehmen gar nicht selbst produziert, sondern von Subunternehmen, Sub-Sub-Unternehmen, Dienstleistern u.s.w., die alle zum Netzwerk „Lieferkette“ gehören. Zudem gehören dazu auch noch Unternehmen, die das Smartphone oder Teile dieses Gerätes transportieren.

Die Leidtragenden sind Kinder, Frauen und Männer in afrikanischen, südamerikanischen oder asiatischen Ländern

Die kapitalistischen Märkte haben dabei einen Weg gefunden, wie sie die Kosten der Arbeitszeit weiter reduzieren können trotz starker Gewerkschaften und Schutzrechte für Arbeitnehmer*innen. Auch das nicht im Sinne einer großen Verschwörung, sondern weil offensichtlich der Kapitalismus Bewegungsgesetzen folgt, wie sie Marx bereits vor 150 Jahren erkannt hat.

Die Leidtragenden sind jedenfalls Kinder, Frauen und Männer in afrikanischen, südamerikanischen oder asiatischen Ländern, die unter erbärmlichen und lebensgefährlichen Bedingungen arbeiten, immer zu viel zu niedrigen Löhnen, oft als Sklaven und Zwangsarbeiter*innen. Und das, damit unser Smartphone ein paar Euro billiger wird.

Genau auf diesem Hintergrund ist es wichtig, dass Gesetze in Ländern wie Deutschland die Anbieter von Produkten und Dienstleistungen dazu zwingt, wiederum die Subunternehmen und Dienstleister in ihrer Lieferkette zu zwingen, gewisse Standards einzuhalten und ihre Beschäftigten angemessen zu bezahlen. Die Europäische Kommission hat die Mitgliedstaaten der Union aufgefordert, insoweit nationale Aktionspläne für Wirtschaft und Menschenrechte zu entwickeln und umzusetzen. Dem sind zwar bislang 15 Staaten nachgekommen. Zumeist aber mit Regeln, denen eine kluge Verbindung von freiwilligen und verbindlichen Maßnahmen fehlen.

Freiwillige Verpflichtungen der Wirtschaft haben noch nie etwas gebracht

Apropos freiwillig: selbstverständlich gab es auch in Deutschland Stimmen, die sich hinsichtlich der Lieferketten gegen jeden Zwang gewendet haben. Die AFD hat gar einen Antrag in den Bundestag eingebracht unter der Überschrift „Lieferkettengesetz absagen – Deutsche Unternehmen schützen – Entwicklung durch Eigenverantwortung und Handel“. Die FDP wollte mit einem Erschließungsantrag „Schlimmeres verhindern“. Beide Anträge lehnte der Bundestag ab.

Es gibt bislang keinen Fall, in dem wissenschaftlich evaluiert Ergebnis ist, dass Selbstverpflichtungen der Wirtschaft überhaupt etwas gebracht haben. Im Gegenteil. Der Markt ist brutal und zwingt seine Teilnehmer, möglichst billig zu sein. Freiwillig verzichtet da niemand auf etwas. Dass es nur mit Zwang geht, hat etwa der Mindestlohn gezeigt, für dessen Einführung auch viele Arbeitgeber*innen waren.

Lobbygruppen der Wirtschaft wie der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) oder die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) nutzten ihren Einfluss insbesondere auf Abgeordnete der CDU /CSU und der FDP, um zu verhindern, dass das Gesetz beschlossen wurde. Die Beschlussfassung wurde denn auch mehrfach von der Tagesordnung genommen. Dabei gibt es selbst 50 bedeutende Unternehmen in Deutschland, wie etwa Symrise, Tchibo und Beckers Bester, die sogar eine Verschärfung des Regierungsentwurfs gefordert hatten.

Unterdessen setzten besagte Lobbygruppen Wirtschaftsminister Altmeier erheblich unter Druck. Der setzte sich massiv für eine Abschwächung des Gesetzes ein. Ursprünglich war vorgesehen, dass deutsche Unternehmen zivilrechtlich haften sollen, wenn sie Lieferketten nutzen, in denen Menschenrechtsverletzungen stattfinden. Das konnte Arbeitsminister Heil im Kabinett gegen den Wirtschaftsminister nicht mehr durchsetzen.

Am Ziel sieht sich die „Initiative Lieferkettengesetz“ noch nicht, wohl aber am Anfang

Das, was jetzt gesetzlich geregelt ist, ist kaum ausreichend, die Probleme in den Griff zu bekommen. Gleichwohl enthält es einige Regeln, die begrüßenswert sind:

  • Künftig können neben Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Gewerkschaften von Betroffenen bevollmächtigt werden, vor deutschen Gerichten auf Wiedergutmachung zu klagen.
  • Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeiter*innen werden dazu verpflichtet, ihrer menschenrechtlichen Verantwortung und Sorgfaltspflicht in ihren Lieferketten besser nachzukommen. Ab 2024 gilt das auch für Unternehmen ab einer Beschäftigtenzahl von 1.000. Dazu gehören auch ausländische Unternehmen, wenn sie in Deutschland lediglich über eine Zweigniederlassung vertreten sind. Die betroffenen Unternehmen sind dazu verpflichtet, bei ihren direkten Zulieferern Risiken zu ermitteln, die international anerkannte Menschenrechte und bestimmte Umweltstandards verletzen oder gefährden könnten. Insoweit besteht eine Berichtspflicht gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa).
  • Zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten des Wirtschaftsausschusses in Betrieben über 100 Beschäftigten gehören künftig auch „Fragen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten gemäß dem Sorgfaltspflichtengesetz“

Die Initiative Lieferkettengesetz, zu der mehr als 125 Organisationen wie Brot für die Welt oder der BUND, aber auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Gewerkschaft Ver.di gehören, sieht sich zwar nicht am Ziel, aber endlich am Start. Das sei ein großer Schritt für Menschenrechte und Umwelt in den Lieferketten, erklärt die Initiative auf ihrer Website.

Denn erstmalig nehme ein Gesetz Unternehmen hierzu in die Pflicht und stelle sich skrupellosen Geschäftspraktiken entgegen. Das beschlossene Lieferkettengesetz sei ein wichtiger Etappenerfolg, weise aber noch zu viele Schwächen auf. Die Zivilgesellschaft müsse auch weiterhin für ein noch wirksameres Lieferkettengesetz streiten, das für alle Unternehmen in Europa gelte.

Hier geht es zum Gesetzentwurf der Bundesregierung: