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Wer auf einer dienstlich veranlassten Reise eine Arbeitskollegin gegen ihren Willen zu küssen versucht und auch tatsächlich küsst, verletzt seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB) in erheblicher Weise. Ein solches Verhalten ist grundsätzlich geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
Landesarbeitsgericht Köln Urteil vom 1.4.2021, Az.: 8 Sa 798/20
Seit 1996 war der Kläger bei der Beklagten als EDI-Manager (EDI = Electronic Data Interchange) beschäftigt.
Am 16.9.2019 hatte die Beklagte eine Kollegin eingestellt, die zuvor bereits als Werkstudentin beschäftigt war. Bereits während des Werkstudiums hatte der Kläger die Kollegin jedenfalls einmal von hinten an die Schultern gefasst, was sich diese verbat.
Permanente sexuelle Belästigung
Während einer zweitägigen Teamklausur Ende September 2019 versuchte der Kläger abends in der Hotelbar mehrfach seine Jacke um die Kollegin zulegen, was von dieser nicht gewollt war. Eine andere anwesende Mitarbeiterin veranlasste dies, ihn aufzufordern, damit aufzuhören. Als die Kollegin auf dem Rückweg von der Hotelbar zu ihrem Zimmer war, folgte ihr der Kläger, obwohl sie auf seine mitgeteilte Absicht, noch mit zu ihr zu kommen, unmissverständlich erklärt hatte, dass sie das nicht wolle. Vor ihrem Zimmer zog er sie zu sich heran und versuchte, sie zu küssen. Obwohl die Kollegin ihn weggedrückte, zog er sie erneut zu sich heran und schaffte es, sie zu küssen. Nochmals drückte die Kollegin ihn weg, öffnete ihre Zimmertür, ging schnell hinein und verschloss die Tür von innen. In einer anschließenden WhatsApp-Nachricht teilte ihr der Kläger mit, er hoffe, dass sie ihm nicht böse sei.
Nach Kenntnis der Belästigungen kündigt der Arbeitgeber
Die Kollegin berichtete ihrem Vorgesetzten von dem Vorfall, woraufhin die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Klägers fristlos, hilfsweise fristgerecht kündigte.
Landesarbeitsgericht bestätigt erstinstanzliche Entscheidung
Nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung mehrerer Kollegen*innen wurde die Klage durch das Arbeitsgericht (ArbG) Köln abgewiesen. Gegen die erstinstanzliche Entscheidung legte der Kläger Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Das LAG bestätigte die Entscheidung des ArbG und wies die Berufung zurück.
In seiner Entscheidung führt das LAG aus, dass die von dem ArbG vorgenommene Beweiswürdigung fehlerfrei ist und keine Anhaltspunkte bestehen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen könnten.
Insbesondere habe es keiner Abmahnung bedurft, Da für den Kläger erkennbar gewesen sei, dass er mit der sexuellen Belästigung seiner Kollegin eine rote Linie überschritten hat, so das LAG, sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Beklagte, deren Verpflichtung es ist, ihre weiblichen Mitarbeiter vor sexuellen Belästigungen zu schützen, unzumutbar gewesen.
Hier geht es zur Entscheidung des Landesarbeitsgericht Köln vom 1.4.2021
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2021/8_Sa_798_20_Urteil_20210401.html
Rechtliches: § 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.