Private Unfallrente anrechenbar auf Opferentschädigung?

Über die Frage, ob eine private Unfallrente zur Minderung einer Opferentschädigung führen kann, hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 10.6.2021 entschieden.

Bundessozialgericht, Urteil vom 10.06.2021 – B 9 V 1/20 R –

Die in Vollzeit als kaufmännische Sachbearbeiterin tätige Klägerin wurde am Neujahrsmorgen 2010 Opfer einer Gewalttat durch einen alkoholisierten Angreifer. Für den schädigungsbedingten Einkommensverlust erhielt die Klägerin Berufsschadensausgleich. Der Beklagte berücksichtigte beim Berufsschadens-ausgleich als anzurechnendes Einkommen eine Unfallrente aus einer privaten Unfallversicherung der Klägerin.

Sozialgericht weist Klage ab

Die Klage der Klägerin, die sich gegen die Anrechnung der privaten Unfallrente zur Wehr setzte, blieb erstinstanzlich erfolglos.

Klägerin legt Berufung ein

Gegen die negative Entscheidung des Sozialgerichts (SG) legte sie Berufung beim Landessozialgericht (LSG) ein. Anders als das SG  hat das LSG der Klage stattgegeben. Dies wiederum veranlasste den Beklagten Revision gegen die LSG-Entscheidung beim Bundessozialgericht (BSG) einzulegen.

Das Bundessozialgericht bestätigt die Entscheidung Berufungsgerichts  

Die private Unfallrente ist keine anrechnungsfähige Einnahme der Klägerin aus Vermögen, welches mit Einkünften aus ihrer früheren Erwerbstätigkeit geschaffen wurde, um den Lebensunterhalt für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu sichern. Zu diesem Ergebnis kamen die Richter*innen des BSG in ihrer Entscheidung vom 10.6.2021.

Im Übrigen wies das BSG daraufhin, dass die private Unfallrente auch nicht zu den Einnahmen der Klägerin aus einer eigenen Erwerbstätigkeit gerechnet werden kann. Denn die Versicherungsbeiträge habe allein ihr Ehemann als Versicherungsnehmer ohne Bezug zum Erwerbseinkommen der Klägerin und ohne gesetzliche Verpflichtung im Rahmen eines Versicherungsvertrages zugunsten Dritter gezahlt.

Hier geht es zur Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 10.6.2021:

https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/bsg-keine-geringere-opferentschaedigung-bei-zahlung-einer-privaten-unfallrente


Auszüge aus dem Opferentschädigungsgesetz:

Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten – Opferentschädigungsgesetz – OEG (idF des Gesetzes vom 11.5.1976, BGBl I 1181)

§ 1 Anspruch auf Versorgung

(1) 1Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere
Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in
entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes …

Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges – Bundesversorgungsgesetz – BVG (idF des Gesetzes vom 13.12.2007, BGBl I 2904)
§ 30 – Beschädigtenrente

(3) 1Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten …
einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach …

(4) 1Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen…

Berufsschadensausgleichsverordnung – BSchAV (idF vom 28.6.2011, BGBl I 1237)
§ 8 – Derzeitiges Bruttoeinkommen
(1) 1Als derzeitiges Bruttoeinkommen gelten, soweit in § 30 Absatz 11 Satz 1 und § 64c Absatz 2 Satz 2 und 3 des Bundesversorgungsgesetzes sowie in § 9 nichts anderes bestimmt ist,

1. alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert aus einer früheren oder gegenwärtigen unselbstständigen Tätigkeit…

(2) Zu den Einnahmen aus früherer unselbstständiger oder selbstständiger Tätigkeit gehören insbesondere

3. Einnahmen aus Vermögen, das Beschädigte mit Einkünften aus einer Erwerbstätigkeit geschaffen haben, um sich nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben den Lebensunterhalt zu sichern…