Wenn dem Arbeitgeber meine Meinung nicht passt

Ohne das Recht, die Meinung frei zu äußern, kann ein demokratischer Rechtsstaat nicht funktionieren. Auch Arbeitnehmer*innen darf von ihren Arbeitgebern grundsätzlich kein Knebel verpasst werden. Was aber, wenn der Arbeitgeber mich wegen meiner Ansichten abstrafen will? Die Praxis zeigt ein etwas differenziertes Bild.

Facebook, Twitter, Instagram: die sozialen Netzwerke bieten vielerlei Möglichkeiten, Rechtsauffassungen und politische Ansichten unter das Volk zu bringen. Vielen ist gar nicht klar, wer alles mitliest und auf welchen verschlungenen Pfaden sich eine irgendwann einmal geäußerte Meinung verbreitet und im Zweifel auch Menschen erreicht, denen sie man gar nicht mitteilen wollte.

Wenn ich in den Kollegenkreisen mich darüber unterhalte, welch ein Idiot mein Vorgesetzter ist, laufe ich allenfalls Gefahr, dass einer der netten Kolleg*innen mich verpfeift. Wirkliche Konsequenzen wird das in aller Regel kaum haben. Poste ich dieselbe Auffassung in den sozialen Netzwerken, kann es sein, dass eben der geschätzte „Idiot“ diese mitliest und zudem weiß, dass sie gleichsam um die Welt gegangen ist.

Dem werten Vorgesetzten könnte ich es auf diese Weise leicht machen, mich zu kündigen. Insbesondere, wenn er mich ebenso schätzt, wie ich ihn. Insoweit könnte sich der Sinn von sozialen Netzwerken ins Gegenteil verkehren, jedenfalls, wenn man ihn als Instrument der freien Meinungsäußerung betrachtet.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt grundsätzlich auch im Arbeitsverhältnis

Gilt also das Grundrecht, seine Meinung frei zu äußern in Bezug auf meinen Arbeitgeber nur eingeschränkt? Vom Grundsatz her ganz und gar nicht. Das Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat mehrfach betont, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung grundsätzlich auch im Arbeitsverhältnis gelte. Mit der überragenden Bedeutung des Grundrechts wäre es unvereinbar, so das BAG, wenn wir in der betrieblichen Arbeitswelt unsere Auffassungen nur eingeschränkt oder gar nicht äußern dürften. Dabei bestehe der Grundrechtsschutz unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos sei. Es spiele auch keine Rolle, ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten werde.

Artikel 5 des Grundgesetzes (GG) beginnt mit dem Satz: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“ Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit garantiert also nicht nur das Recht, eine Meinung zu haben. Die Meinung darf man auch frei äußern und verbreiten. Das gibt mir das Recht, in jeder Form, also auch auf Facebook, Instagram und Twitter frei kundzutun, was ich denke.

Man darf seine Meinung nicht nur äußern, sondern auch damit etwas bewirken wollen

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geht sogar noch weiter: Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit schützt nicht nur das Äußern einer Meinung als solche, sondern auch das geistige Wirken durch die Meinungsäußerung. Das betont das BVerfG regelmäßig seit der bekannten „Lüth-Entscheidung“ von 1958. Wir dürfen also nicht nur sagen, was wir denken. Wir dürfen mit unserer Meinung auch etwas bewirken wollen.

Es kommt aber maßgeblich darauf an, dass es sich tatsächlich um eine Meinung handelt, die wir äußern. In der Philosophie wird seit Kant Meinung erkenntnistheoretisch als eine Form von „Fürwahrhalten“ angesehen, die sich deutlich von Wissen und Glauben unterscheidet. Eine Meinung ist danach kein Urteil a priori, sondern ein vorläufiges Urteil, dessen man nicht leicht entbehren kann. Man muss erst meinen, ehe man annimmt und behauptet, sich dabei aber auch hüten, eine Meinung für etwas mehr als bloße Meinung zu halten.

Meinungen können insoweit nur Gegenstände einer Erfahrungserkenntnis sein, die an sich zwar möglich, aber nur für wegen empirischer Einschränkungen unmöglich ist. Insoweit Immanuel Kant. Seine erkenntnistheoretischen Ausführungen geben uns aber einen wichtigen Ansatz dafür, Meinung etwa von übler Nachrede zu unterscheiden.

Wer falsche Tatsachen behauptet, kann sich strafbar machen

Wer Tatsachen verbreitet, deren Wahrheitsgehalt er nicht kennt oder von denen er sogar weiß, dass sie nicht stimmen, äußert damit keine Meinung.  Wer erklärt, Berlin sei die Hauptstadt von Deutschland, gibt nicht seine Meinung kund, sondern behauptet etwas, von dem er ausgeht, dass es stimmt. Wer dagegen behauptet, Buxtehude sei die Hauptstadt von Deutschland, kann sich dabei nicht auf Meinungsfreiheit berufen.

Diese Unterscheidung ist vor allem relevant, wenn falsche Behauptungen anderen einen Schaden zufügen oder sogar einen Straftatbestand erfüllen. Wer öffentlich behauptet, der Holocaust habe nie stattgefunden, kann sich nicht dabei nicht auf ein Grundrecht berufen. Er verbreitet etwas, was nachweislich nicht stimmt und macht sich strafbar.

Es gibt nach dem Grundgesetz aber auch Schranken, wenn es um darum geht, Meinungen frei zu äußern. Artikel 5 Absatz 2 GG bestimmt, dass die Meinungsfreiheit „… ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre“ findet. Allgemeine Gesetze sind dabei alle Gesetze, die allgemein gelten, also insbesondere auch die Vorschriften des Straf- und Zivilrechts.

Ein Grundrecht kann nur insoweit ausgeübt werden, wie es nicht die Grundrechte anderer verletzt

Eine Meinungsäußerung kann auch die Grundrechte anderer verletzen. Zwar sind Grundrechte selbst keine „allgemeinen Gesetze“ im Sinne des Artikels 5. Die gesamte Staatsgewalt ist aber nach dem Grundgesetz an alle Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht gebunden. Das gilt auch für Gerichte, wenn sie Gesetze auslegen und anwenden. Wird also etwa im Rahmen eines Strafverfahrens oder eines Schadensersatzprozesses geprüft, ob eine Meinung erlaubt ist, spielt oft eine Rolle, inwieweit die Grundrechte anderer betroffen sind.

Es kann Fälle geben, in denen Grundrechte gleichsam miteinander konkurrieren. Wenn man auf Facebook postet, ein bestimmter Politiker sei dumm, permanent überfordert und für öffentliche Ämter völlig ungeeignet, wird sich dieser wenig erfreut zeigen. Wenn er gegen die Äußerung vorgeht, kann auch er sich auf Grundrechte berufen, auf die Würde des Menschen aus Artikel 1 GG und auf die allgemeinen Persönlichkeitsrechte aus Artikel 2 GG.

Die Gerichte müssen dann für diesen Einzelfall die Grundrechte gegeneinander abwägen. Die Rechtswissenschaft hat hier das Prinzip der sogenannten „praktischen Konkordanz“ entwickelt, das nicht ganz unkompliziert ist. Stehen zwei Grundrechte im Widerstreit, müssten beide nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG „mit dem Ziel der Optimierung“ zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden. Dabei käme dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Bedeutung zu. Wichtig dabei sei auch, dass die Grundrechte in ihrer Substanz nicht angetastet würden.

Die Grenze des Erlaubten ist auf jeden Fall überschritten, wenn man andere Menschen herabwürdigt

Eine Abwägung ist allerdings nicht angebracht, wenn die Grundrechte nicht gleichwertig sind. Die Würde des Menschen, die zu schützen Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ist und die unantastbar ist, geht jedem anderen Grundrecht vor. Dieses Recht darf niemand relativieren und einschränken, auch nicht durch „praktische Konkordanz“ mit anderen Grundrechten. Niemandem ist es nach unserer Rechtsordnung also erlaubt, die Würde eines anderen Menschen auch nur anzutasten.

Jetzt wird nicht jeder stets über „praktische Konkordanz“ oder „höherrangigem Recht“ nachdenken, wenn er eine Meinung äußern will. Entscheidend ist, dass man trotz der garantierten Meinungsfreiheit nicht alles ungeschützt äußern sollte, schon gar nicht in den sozialen Medien. Zwar darf ich durchaus Urteile über andere Menschen oder deren Verhalten äußern. Das Urteil darf auch polemisch oder sogar verletzend sein. Die Grenze desjenigen, was erlaubt ist, ist auf jeden Fall überschritten, wenn es das Ziel der Meinungsäußerung ist, andere Menschen herabzuwürdigen, zu beleidigen, gering zu schätzen oder zu schmähen.

Gerade in Zeiten der sozialen Medien wie Facebook, Twitter oder Instagram wird die eigene Meinung oft öffentlich präsentiert. Darf also ein Arbeitgeber Konsequenzen ziehen, wenn ihn eine Meinung eines seiner Beschäftigten nicht passt? Nun, auch hier kommt es, wie so oft, auf den Einzelfall an.

Es gibt eine Reihe von Entscheidungen, die der Arbeitgeber treffen kann, ohne dass der Beschäftigte oder irgendjemand anderes zustimmen muss. Er kann grundsätzlich im Rahmen seines Direktionsrechts Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Das gilt nur dann nicht, soweit diese Arbeitsbedingungen durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. „Billiges Ermessen“ schützt den Arbeitnehmer dabei nur vor reiner Willkür.

Problem ist, dass der Arbeitgeber viele Entscheidungen, die Arbeitnehmer*innen betreffen, einseitig trifft

Der Arbeitgeber entscheidet letztlich auch darüber, wer in seinem Unternehmen beruflich vorankommt. Selbst Kündigungen des Arbeitsverhältnisses sind einseitige Erklärungen des Arbeitgebers, die wirksam werden, wenn der betroffene Beschäftigte sie empfängt. Glücklicherweise schützt in Deutschland das Kündigungsschutzgesetz Arbeitnehmer*innen vor sozialwidrigen Kündigungen, wenn es denn anzuwenden ist.

Alle Entscheidungen, die der Arbeitgeber allein trifft, die aber einen oder mehrere Beschäftigte betreffen, unterliegen aber dem Diskriminierungsverbot. Ein Anspruch eines Beschäftigten auf Entschädigung oder Schadensersatz nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) kann etwa bestehen, wenn er wegen seiner Weltanschauung benachteiligt wird. Ist das aber schon schwer zu beweisen, wird es fast unmöglich sein, ihm nachzuweisen, dass er einen Beschäftigten permanent benachteiligt, weil er mit seinen kritischen Meinungen nicht hinter dem Berg hält.

In Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten gilt das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Kündigt ein Arbeitgeber einem Beschäftigten, dessen Arbeitsverhältnis seit mehr als sechs Monaten besteht, braucht er einen Kündigungsgrund. Den benötigt er aber nur, wenn der*die gekündigte Arbeitnehmer*in innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erhebt. Ob die Kündigung dann wirksam ist, hängt von vielen Dingen ab. An dieser Stelle wollen wir uns hauptsächlich damit beschäftigen, ob und wann eine Meinung, die ein*e Arbeitnehmer*in ausspricht, einen Kündigungsgrund darstellen kann. Im Kündigungsschutzverfahren muss der Arbeitgeber den Kündigungsgrund konkret darlegen und im Zweifel auch beweisen.

Es kommt darauf an, ob und inwieweit das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer*in und Arbeitgeber*in gestört ist

Es kommt dabei aber vor allem darauf an, ob eine Meinung, die ein Beschäftigter öffentlich geäußert hat, objektiv betrachtet das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber in Zukunft nachhaltig stören wird. Ob ein Arbeitgeber zurecht kündigen darf, hängt nämlich allein davon ab, was er für die Zukunft erwarten kann, wenn er den Sachverhalt objektiv beurteilt.

Vom Grundsatz her können Arbeitnehmer*innen auch im Arbeitsverhältnis ihr Recht aus Artikel 5 GG frei ausüben. Begrenzt wird das Recht nur durch die allgemeinen Gesetze und die Grundrechte anderer. Arbeitnehmer*innen dürfen sich sogar kritisch mit den Verhältnissen im Betrieb auseinandersetzen und ihre Meinung insoweit betriebsöffentlich äußern. Aber auch hier gilt: Ziel darf nicht sein, den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Arbeitskolleg*innen herabzuwürdigen, zu schmähen oder zu beleidigen. Diffamierende oder ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und/oder Kollegen können durchaus ein Grund für eine Kündigung sein. Das gilt aber nicht, wenn die Kritik im vertrauten Kollegenkreis geäußert wird und der betreffende Beschäftigte darauf vertrauen konnte, dass die Kritik diesen Kreis nicht verlässt.

Arbeitgeber dürfen ihre Beschäftigten wegen einer Meinung nicht maßregeln

Das Recht, die Meinung frei zu äußern wird aber auch durch Grundrechte des Arbeitgebers begrenzt. Das Recht eines Beschäftigten aus Artikel 5 GG steht dabei insbesondere in Konkurrenz zum Grundrecht des Arbeitgebers auf die freie Ausübung seines Berufs, das ihm durch Artikel 12 GG garantiert wird, eventuell auch zum Recht auf Eigentum, in Artikel 14 GG geregelt. In der Folge wollen wir schauen, wie Gesetz und Rechtsprechung mit diesem Spannungsfeld umgehen.

Aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) folgert die Rechtsprechung arbeitsvertragliche Pflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme in einem Arbeitsverhältnis (§ 241 BGB). Hierbei handelt es sich um ein allgemeines Gesetz, das im Lichte der Werteordnung auszulegen ist, die von den Grundrechten bestimmt wird.

Der Arbeitgeber ist etwa verpflichtet, Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer*innen zu schützen. Er darf sie nicht maßregeln und muss sie vor Mobbing und Diskriminierung am Arbeitsplatz schützen. Aber auch Arbeitnehmer*innen müssen auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht nehmen. Ein Kündigungsgrund kann etwa vorliegen, wenn ein Beschäftigter Meinungen auf einer Betriebsversammlung äußert oder sie im Betrieb öffentlich postet, wenn dadurch der Betriebsfrieden ernsthaft gestört wird. Das Recht, seine Meinung frei zu äußern, berechtigt zwar einen Beschäftigten öffentlich im Betrieb Maßnahmen des Arbeitgebers zu kritisieren. Er darf auch seine politischen Auffassungen kundtun, selbst wenn sie anderen Beschäftigten oder dem Arbeitgeber nicht gefallen.

Durch eine Meinungsäußerung darf der Betriebsfrieden nicht gestört werden

Die Rechte des Arbeitgebers werden aber dann verletzt, wenn der Betriebsfrieden durch das Auftreten des Beschäftigten in ernstlicher Weise gestört wird. Für eine Kündigung reicht es jedoch nicht, dass dieser lediglich durch eine Meinungsäußerung gestört werden könnte. Die Rechtsprechung verlangt, dass die Störung schon konkret da ist, was der Arbeitgeber in einem etwaigen Kündigungsschutzprozess auch darlegen und im Zweifel beweisen muss.

Ein Recht, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, kann aber für den Arbeitgeber auch bestehen, wenn ein Arbeitnehmer durch eine Meinungsäußerung seine Pflicht zur Loyalität verletzt. In der Regel dürfte aber die Freiheit, die Meinung zu äußern, höher zu bewerten sein als das Recht des Arbeitgebers aus Artikel 12. Es führt zu weit, wenn man einfachen Beschäftigten eine Kritik an der Unternehmenspolitik verwehren würde, weil sie bereits dadurch bekanntgeben würden, sie seien nicht loyal. Anders sieht es aus, wenn Führungskräfte oder gar leitende Angestellte Kritik an der Unternehmenspolitik üben.

Für eine Kündigung kann auch relevant sein, wie sich Beschäftigte gegenüber Kund*innen äußern. Die Pflicht, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen, wird unter Umständen erheblich verletzt, wenn etwa eine Verkäuferin sich negativ zum eigenen Warensortiment äußert, etwa mit den Worten „das Zeug würde ich selbst nicht kaufen“.

Zu einer Kündigung kann es aber auch kommen, wenn die/der Arbeitnehmer*in eine Kritik öffentlich außerhalb des Betriebes in der Freizeit äußert.

Nach der Rechtsprechung besteht die Pflicht der/des Arbeitnehmer*in, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen, nämlich auch außerhalb des Betriebes fort. Sicherlich geht es Arbeitgebern grundsätzlich nichts an, wie ihre Beschäftigten ihre Freizeit verbringen, mit wem sie verkehren und welche politische Meinung sie vertreten. Auch kann der Arbeitgeber nicht unbedingt verlangen, dass seine Beschäftigten auch als Privatpersonen in der Öffentlichkeit immer so seriös auftreten müssen, wie es das angebliche Image des Unternehmens verlangt.

Der Arbeitgeber könnte eine Kündigung aber dann begründen, wenn das Verhalten des Beschäftigten in seiner Freizeit das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt. Dabei ist auch wieder entscheidend, welche Position der Beschäftigte im Unternehmen einnimmt. Wer in herausgehobener Stellung tätig ist, wird in der Öffentlichkeit eben oft auch nicht als Privatperson wahrgenommen, sondern als „der von“ diesem oder jenem Unternehmen.

Im Normalfall wird eine einmalige politische Äußerung kaum eine Kündigung rechtfertigen, selbst wenn das Arbeitsverhältnis mittelbar betroffen ist. So hat das LAG Nürnberg in einer Entscheidung von 2017 die Kündigung eines Beschäftigten, der bei einer politischen Demonstration des rechten Spektrums seinen Dienstausweis öffentlich getragen hat, nicht für gerechtfertigt gehalten. Zwar hatte das LAG grundsätzlich hier einen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme gesehen. In diesem Fall hätte aber eine Abmahnung als milderes Mittel ausgereicht, meinte das LAG.

Auch eine politische Haltung kann den Betriebsfrieden stören

Anders verhält es sich aber, wenn ein Beschäftigter in seiner Freizeit regelmäßig und auf Dauer politisch in einer Partei oder einer anderen politischen Vereinigung tätig ist. Aus diesem Umstand kann der Arbeitgeber schließen, dass der betreffende Beschäftigte eine politische Haltung hat. Jetzt geht eine solche Haltung prinzipiell dem Arbeitgeber zwar nichts an. Relevant für das Arbeitsverhältnis in Zukunft kann aber sein, wenn durch die politische Haltung der Betriebsfrieden ernsthaft gestört wird.

In einer besonderen Position sind Beschäftigte in sogenannten „Tendenzbetrieben“. Das sind Betriebe, die nicht in erster Linie wirtschaftliche Ziele im Auge haben, sondern weltanschauliche oder politische. Aber auch Unternehmen, deren Zweck vor allem Berichterstattung oder Meinungsäußerung ist, gehören dazu. Das ist gesetzlich in § 118 BetrVG geregelt.

In erster Linie sind es also Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und Presseunternehmen, die Tendenzbetriebe betreiben. In Tendenzbetrieben gelten gesteigerte Anforderungen an das außerdienstliche Verhalten. Das gilt aber hauptsächlich für die sogenannten Tendenzträger, also Beschäftigte, deren Aufgabe nach dem Arbeitsvertrag gerade darin besteht, die weltanschauliche oder politische Tendenz des Unternehmens nach außen zu vertreten.

Die Stellung als Tendenzträger hat Auswirkungen auf die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten. Ein Tendenzträger ist verpflichtet, sowohl bei der Arbeitsleistung als auch im außerdienstlichen Bereich nicht gegen die Tendenz des Unternehmens zu verstoßen. So etwas macht etwa ein Gewerkschaftssekretär, der öffentlich rassistische oder antisemitische Auffassungen vertritt. Gewerkschaften sind von ihrem Selbstverständnis her traditionell für Demokratie und Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit, Solidarität und Toleranz.

Der Beitrag ist die Überarbeitung eines Artikels, den der Autor bereits 2019 für die Homepage der DGB-Rechtsschutz GmbH geschrieben hat:

„Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis“ mit vielen Hinweisen auf einschlägige Rechtsprechung:

https://www.dgbrechtsschutz.de/recht/arbeitsrecht/arbeitsvertrag/themen/beitrag/ansicht/arbeitsvertrag/meinungsfreiheit-im-arbeitsverhaeltnis/details/anzeige/