Müssen Krankenkassen Kosten für einfache Pflegeleistungen in ambulanter Wohngruppe tragen?

Bewohner von ambulanten Senioren- und Demenz­wohngruppen haben gegenüber ihrer Kranken­kasse einen Anspruch auf Leistungen der medizinischen Behandlungs­pflege. Doch schließt das Maßnahmen der einfachsten Pflege ein, wie das Messen des Blutzuckers oder das Anziehen von Kompressions­strümpfen, das theoretisch auch medizinische Laien leisten können?

Bundessozialgericht, Entscheidungen vom 26.3.2021, Az. B 3 KR 1/20 R, B 3 KR 2/20 R und B 3 KR 14/19 R

AOK: Keine Fachkunde erforderlich

In mehreren Fällen hatte die AOK Bayern Seniorinnen, die in Demenz- oder Senioren-Wohng­emeinschaften lebten, die Übernahme von Leistungen der häuslichen Kranken­pflege wie die Gabe von Medikamenten oder Blutzucker­messungen trotz ärztlicher Verordnung verweigert.

Für diese Maßnahmen, sei keine medizinische oder pflegerische Fachkunde erforderlich, argumentierte die Kasse. Deshalb könnten die Leistungen unentgeltlich von anderen Personen durch­geführt werden, die sich in der WG um die Betreuung der Bewohner kümmern.

Sozialgericht gibt Klagen statt

Gegen die Entscheidungen der AOK klagten drei betroffene Frauen. In drei Musterverfahren gab das Sozial­gericht (SG) Landshut ihnen Recht.

Gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen legte die Krankenkasse Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) ein

Ärztliche Verordnung als Voraussetzung

Das LSG stellte klar, dass sich aus den bestehenden Betreuungsverträgen keine Ansprüche auf einfache Pflege­tätigkeiten ableiten ließen. Denn, so die Berufungsrichter*innen, voraus­gesetzt, eine ärztliche Verordnung liegt vor und die einzelnen Leistungen zählen nicht zum Umfang des abgeschlossenen Betreuungs­vertrages, dann sind die Kosten für Maßnahmen der einfachsten Pflege durch die AOK Bayern zu übernehmen.

AOK legt Revision ein

Gegen die Entscheidung des Bayerischen LSG vom 20.8.2019, Az.: L 5 KR 403/19, 20.08.2019 so wie in zwei weiteren vergleichbaren Verfahren, legte die AOK Revision beim Bundessozialgericht (BSG) ein. In den zwei weiteren Verfahren hat sich die beklagte AOK dem Ausgang der Sache in der Sache L 5 KR 403/19 unterworfen.

Bundessozialgericht weist Revision zurück

Die Einlegung der Revision gegen die Entscheidung des LSG vom 20.8.2019 blieb erfolglos für die AOK. Damit ist dieses Urteil rechtskräftig. Da sich die Beklagte in zwei weiteren Sachen dem Ausgang des durch das BSG entschiedenen Falles unterworfen hat, konnten auch diese im Sinne der Klägerinnen erledigt werden.

BSG: Ambulante Leistungen an jedem Ort zu erbringen

Ambulante Leistungen der Behandlungs­sicherungs­pflege müssten die Kranken­kassen über den Haushalt der Versicherten und ihrer Familie hinaus an jedem Ort erbringen, der dazu geeignet sei, so das BSG. Dazu gehören auch Wohngruppen.

Terminbericht des Bundessozialgerichts vom 26.3.2021:

Hier geht es zur Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts, Urteil vom 20.8.2019, Az.: L 5 KR 403/19:

LSG München, Urteil v. 20.08.2019 – L 5 KR 403/19 – Bürgerservice (gesetze-bayern.de)