Lebenslagen in Deutschland – Der sechste Armuts- und Reichtumsbericht ist beschlossen

Die Bundesregierung hat den sechsten Armuts- und Reichtumsbericht veröffentlicht. Dabei zeigen sich Licht und Schatten. Die Folgen der Corona-Pandemie können aber noch nicht endgültig eingeschätzt werden. Klar ist, dass die Gerechtigkeit bei der Verteilung von Einkommen und Vermögen abgenommen hat.

Seit 2001 erstattet die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag alle fünf Jahre einen Bericht zu Armut, Reichtum sowie den zentralen Lebenslagen in Deutschland. Dabei werden den empirischen Analysen geltende Regelungen gegenübergestellt und auf dieser Grundlage neue Maßnahmen in die Diskussion eingebracht. Den ersten Bericht legte sie am 25. April 2001 vor.

Beteiligt sind stets eine Vielzahl an Verbänden, Institutionen und Vertreter*innen der Bundestagsfraktionen und ein wissenschaftliches Gutachtergremium. Zudem veranstaltet das Arbeitsministerium (BMAS) kontinuierlich eine Reihe von Symposien, in denen es über die Schwerpunkte und Ergebnisse der Begleitforschung berichtet, um Transparenz zu gewährleisten.

Die Auswirkungen der Pandemie sind noch nicht sicher einzuschätzen

Das Bundeskabinett hat am 14. Mai 2021 den Sechsten Armuts- und Reichtumsbericht (6. ARB) beschlossen. Kurz vor Erscheinen des 6. ARB hatten sich aufgrund der COVID-19-Pandemie die Parameter für den Bericht plötzlich und einschneidend verändert. Die Auswirkungen der Pandemie auf Erwerbstätigkeit, Sozialleistungsbezug, Einkommen, Vermögen, Bildungschancen und Geschlechtergleichstellung sind derzeit noch gar nicht abzusehen.

Es zeichnet sich dabei ab, dass die Sozialschutzpakete bislang negative Verteilungseffekte weitgehend vermieden haben und durch die Regelungen des Kurzarbeitergeldes die Beschäftigung gesichert werden konnte. Ein wirkliches Bild zeichnet der 6. ARB insoweit aber noch nicht, da die Pandemie nach wie vor andauert und sich viele Effekte auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ohnehin erst nach Jahren zeigen werden.

Armut hat sich verfestigt

Immerhin beschreibt der Bericht die aktuelle soziale Lage in Deutschland sehr ausführlich. Die Autoren haben ihrer Analyse zum Teil eigens für den Bericht in Auftrag gegebene Forschungsvorhaben zugrunde gelegt. Die aktuellen Daten bewertet der Bericht mit Blick auf die Entwicklung der sozialen Aufstiegschancen und Abstiegsrisiken innerhalb der Biographie und – soweit möglich – auch im Vergleich zu früheren Alterskohorten und Generationen.

Deutlich wird im 6. ARB, dass sich in den letzten Jahrzehnten die Armutslagen in der Bundesrepublik Deutschland verfestigt haben. Menschen, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, und Langzeitarbeitslose haben nur sehr eingeschränkt Möglichkeiten, sozial aufzusteigen.

Besorgniserregend ist auch die Entwicklung bei Lehrstellen.  Die Zahl der bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldeten Berufsausbildungsstellen ist in den letzten drei Jahren rückläufig. Im Berichtsjahr 2019/2020 zeigten sich bei den gemeldeten Ausbildungsstellen (530.000) und gemeldeten Bewerberinnen und Bewerbern (473.000) spürbare Rückgänge im Vergleich zum Berichtsjahr 2018/2019.

Einkommen und Vermögen sind sehr ungleich verteilt

Der Bericht zeigte auch, dass Einkommen und Vermögen in unserem Land sehr ungleich verteilt sind. Die Bundesregierung wendet ein Verfahren des italienischen Statistiker Corrado Gini an, um die Verteilung von Einkommen- und Vermögen darzustellen. Danach ermittelt sie den sogenannten „Gini-Index“. Das ist ein Wert zwischen 0 und 1. Bei einer gleichmäßigen Verteilung ist der Wert „0“. Wenn nur eine Person das komplette Einkommen oder Vermögen der Bevölkerung hätte, wäre er „1“, was der höchste Grad der Ungerechtigkeit wäre.

Der Gini-Koeffizient bei der Verteilung der Einkommen lag in Deutschland in den Jahren bis 2017 bei etwa 0,29. Die obere Hälfte der Bevölkerung hatte einen Anteil von 70 Prozent am Gesamteinkommen, die untere Hälfte 30 Prozent.  Vermögen ist deutlich ungleicher verteilt als das Einkommen: Hier betrug der Gini-Koeffizient im letzten verfügbaren Jahr etwa 0,71 (Nettovermögen der Haushalte) bzw. 0,78 (individuelle Nettovermögen). Haushalte in der oberen Hälfte der Verteilung besaßen etwa 97,5 Prozent, Personen in der oberen Hälfte der Verteilung etwa 99,5 Prozent des Gesamtvermögens.

Hubertus Heil zeigt sich insgesamt zufrieden

10 Prozent der Bevölkerung hatte ein „negatives Vermögen“, also mehr Schulden als Vermögensbestände. Ein erheblicher Teil der Menschen in unserem Land hatte gar kein Vermögen, aber auch keine Schulden. Erst im dritten bzw. vierten Dezil (Dezil = 10. Teil der Bevölkerung) fingen positive Vermögensbestände an. Insoweit zeigt sich – so steht es im Bericht – in den letzten Jahren ein „leicht rückläufiger Gini-Koeffizient“. Auf Deutsch: das Vermögen ist zunehmend ungleich verteilt.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zeigt sich indessen eher zufrieden. Positiv sei, so betont der Minister, dass vor der COVID-19-Pandemie alle Einkommensbereiche von der damals günstigen Wirtschaftsentwicklung profitiert hätten. Auch im unteren Bereich seien die Löhne gestiegen und die Erwerbstätigkeit habe zugenommen. Der gesetzliche Mindestlohn habe gewirkt.

Die Stundenlöhne bei den Beschäftigten im untersten Zehntel der Einkommensverteilung seien in den letzten Jahren am stärksten gestiegen, erklärte Heil. Allerdings wies er darauf hin, dass bei Weitem nicht alle in der Bevölkerung von der weitgehend positiven Lage profitierten.

„Auch der Umstand, dass viele Menschen unsere Gesellschaft als sehr polarisiert wahrnehmen, zeigt, dass wir den sozialen Zusammenhalt stärken müssen. Die Ergebnisse des Berichts bestärken mich daher in meinem Ziel, dass wir für mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt sorgen müssen: Wir brauchen schnellstmöglich einen gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro / Stunde, wir müssen die Tarifbindung stärken, und die Grundsicherung für Arbeitsuchende muss reformiert werden.“, so der Arbeitsminister.

Foto: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil; Archiv des BMAS

Hier geht es zum 6. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung:

Hier geht es zur Homepage des Armuts- und Reichtumsberichtes:

https://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/DE/Startseite/start.html