In der Zeit von Covid 19 hat sich die Lage im Gesundheitswesen stark zugespitzt. Das betrifft insbesondere die Intensivstationen. Eine Intensivpflegerin des Klinikums Recklinghausen verlangte alle 75 Minuten eine „Maskenpause“. Daraufhin versetzte sie die Klinik auf die Krebsstation, was aus Sicht der Krankenschwester eine Strafversetzung ist. Das Arbeitsgericht Herne hat jetzt entschieden, dass die Maßnahme rechtens war.
Arbeitsgericht Herne, Urteil vom 6. Mai 2021 – 4 Ca 2437/20
Die Corona-Pandemie wird auch insoweit auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Ärzt*innen und Pfleger*innen leisten lange Dienste, in denen es kaum Pausen gibt, nicht einmal kurze Trinkpausen. Dazu kommt die starke psychische Belastung.
Und die ist auch in normalen Zeiten schon immens hoch. Der hohe Grad an Verantwortung, das Erfordernis, wegen der stets lebensbedrohlichen Lage der Patient*innen immer neue Therapieformen, Behandlungsmöglichkeiten und Pflegeforschungsergebnisse anwenden zu können und nicht zuletzt auch die Erwartungshaltung der Angehörigen üben einen immensen Druck aus. Das war etwa das Ergebnis einer Studie der Universität Wien von 2009.
Das Personal auf den Intensivstationen sieht Menschen täglich qualvoll sterben
Dieser Druck ist in Zeiten der Pandemie ungleich stärker. Die Beschäftigten erleben tagtäglich die möglichen Auswirkungen von Covid 19. Sie sehen Patient*innen um ihr Leben kämpfen, sehen sie einen grauenvollen Tod sterben. Kein Wunder, dass nach Erkenntnissen der Gewerkschaft Ver.di viele Beschäftigte der Intensivstationen sich angesichts der Überbelastung mit dem Gedanken tragen, den Pflegeberuf aufzugeben.
Davon ist eine Krankenschwester, die auf der Corona-Intensivstation des Klinikums Recklinghausen arbeitet, weit entfernt. Im Gegenteil: sie wendet sich dagegen, dass ihre Arbeitgeberin sie von der Intensivstation auf eine andere Station versetzt. Sie selbst spricht von einer „Strafversetzung“ und das kann man gut nachvollziehen.
Die Klägerin wollte alle 75 Minuten eine „Maskenpause“, das war der Klinik zu viel!
Denn das Klinikum hatte sie von der Intensivstation entfernt, nachdem sie für die Intensivstation Maskenpausen alle 75 Minuten und die Möglichkeit zum Trinken verlangt hatte. Die Maskenpause sollte nach Auffassung der Klägerin 30 Minuten andauern. In dieser Zeit könnte die/der jeweilige Beschäftigte andere notwendige Arbeiten verrichten, bei denen das Tragen einer Maske nicht erforderlich sei.
Die Klägerin hatte sich diesen Vorschlag indessen nicht selbst ausgedacht, sondern sich vielmehr auf Empfehlungen von Berufsgenossenschaften gestützt. Aus Sicht der Klinik soll das aber praktisch nicht machbar sein.
Der Vorsitzende der 4. Kammer beim Arbeitsgericht Herne hatte in der Güteverhandlung einen Kompromiss vorgeschlagen: die Klinik nimmt die Versetzung zurück und gewährt Trink- und Maskenpause alle zwei Stunden. Auch das war aber dem Krankenhaus zu viel. Die Klinik bestritt, dass es hier um eine Strafversetzung ging. Man habe lediglich von seinem Direktionsrecht Gebrauch gemacht und setze die Klägerin jetzt auf der Krebsstation ein, was eine andere verantwortungsvolle Aufgabe sei.
Hat die Klinik nur das ihr zustehende Direktionsrecht ausgeübt?
Das Arbeitsgericht Herne hat jetzt eine Entscheidung getroffen, leider zulasten der Krankenschwester. Ihre Versetzung ist nach Auffassung des Gerichts wirksam.
Tatsächlich entscheidet der Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis grundsätzlich über Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit. Allerdings kann dieses Recht des Arbeitgebers durch den Arbeitsvertrag eingeschränkt werden. Das bestimmen § 611a BGB und § 106 Gewerbeordnung (GewO).
Auch die Umstände eines Arbeitsverhältnisses können die Vertragsbedingungen konkretisieren. Anders als häufig angenommen reicht aber nicht aus, dass der Arbeitnehmer jahrelang an einem bestimmten Ort seine Arbeitsleistung erbracht hat. Das Bundesarbeitsgericht verlangt, dass weitere Umstände oder Erklärungen hinzutreten müssen, die den Arbeitnehmer zu der schutzwürdigen Annahme berechtigen, der Arbeitgeber werde ihn nur noch zu den bisherigen Arbeiten heranziehen.
Die Versetzung darf keine Maßregelung sein
Das Weisungsrecht darf der Arbeitgeber nur nach billigem Ermessen ausüben. Das verlangt, dass der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat.
„Billig“ bedeutet in diesem Fall nicht „kostengünstig“. Es handelt sich vielmehr um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im Einzelfall auszulegen ist. In Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen bedeutet er, dass der Arbeitgeber die Interessen der Beschäftigten angemessen berücksichtigen muss.
Billiges Ermessen hat der Arbeitgeber jedenfalls dann nicht ordnungsgemäß ausgeübt, wenn die Versetzung eine Maßregelung darstellt. Das hat das Arbeitsgericht in diesem Fall aber offensichtlich verneint. Obschon das hier naheliegt, denn es ist in diesen Zeiten wenig wahrscheinlich, dass eine Klinik eine qualifizierte Pflegekraft mit jahrelanger Berufserfahrung auf einer Intensivstation entbehren kann, auf der Covid-19-Patienten behandelt werden.
Hier geht es zur Pressemitteilung des Arbeitsgerichts:
https://www.justiz.nrw.de/JM/Presse/dpa_ticker/DPA_06057/index.php