Arbeitnehmer*innen müssen von ihrem Gehalt nicht nur Steuern zahlen. Sie sind zudem verpflichtet, zusammen mit ihren Arbeitgebern Beiträge zur Sozialversicherung zu zahlen. Das lässt sich auch nicht einfach „austricksen“. Beiträge müssen auch geleistet werden, wenn ein Teil des Arbeitsentgeltes statt aus Geld aus einem Surrogat wie etwa Tankgutscheinen besteht.
Bundessozialgericht, Urteil vom 23.02.2021 – B 12 R 21/18 R
Ein süddeutsches Unternehmen schloss mit diversen Beschäftigten eine ergänzende Vereinbarung zum jeweiligen Arbeitsvertrag. Die Arbeitsvertragsparteien stellten klar, dass der Bruttoarbeitslohn bei unveränderter Arbeitszeit ab Januar 2010 um einen exakt bestimmten Bruttobetrag reduziert wird (Entgeltverzicht). Zudem vereinbarte das Unternehmen mit diesen Beschäftigten, dass es darüber hinaus bestimmte Leistungen gewährt, die nicht unter den Freiwilligkeitsvorbehalt fallen.
Im Januar 2011 fand eine Betriebsprüfung statt. Daraufhin setzte die Deutsche Rentenversicherung mit Bescheid vom 10. Februar 2011 eine Nachforderung in Höhe von 13.088,93 Euro fest, darin enthalten 254 Euro Säumniszuschläge. Die beitragsrechtliche Beurteilung der Entgelte und sonstigen Zuwendungen sei nach Auffassung der Rentenversicherung nicht immer zutreffend erfolgt. Im Jahr 2010 sei bei verschiedenen Beschäftigten das monatlich geschuldete sozialversicherungsrechtliche Bruttoentgelt zugunsten von beitragsfreien Zuschüssen (Tankgutscheine, Fahrgeld, Internetanschlüsse, Essenmarken) umgewandelt worden.
Das Unternehmen meint, es liege eine echte Entgeltumwandlung vor
Das Unternehmen war mit der Forderung der Rentenversicherung nicht einverstanden. Sie habe ein alternatives Vergütungsmodell eingeführt, gegen das lohnsteuerrechtlich und arbeitsrechtlich keine Bedenken bestünden. Es habe mit den betroffenen Arbeitnehmern wirksame Vereinbarungen über einen Verzicht auf Teile des Barlohns geschlossen. Die bisherige Barlohnschuld sei zukunftsgerichtet durch neue Entgeltmodalitäten ersetzt worden. Damit liege keine Abrede über die Verwendung des vereinbarten Barlohns vor, sondern eine echte Entgeltumwandlung.
Im Revisionsverfahren vor dem Bundessozialgericht ging es nicht mehr um alle Leistungen, die das Unternehmen den Beschäftigten als Ersatz für den Entgeltverzicht gezahlt hat, sondern nur noch die Gewährung von Tankgutscheinen und die Zahlung von Entgelten für die Bereitstellung von Werbeflächen.
Bundessozialgericht: Einnahmen sind alle geldwerten Vorteile, die in ursächlichem Zusammenhang mit der Beschäftigung zufließen
Sozialgericht und Landessozialgericht haben die Beitragsnachforderungen der Rentenversicherung aufgehoben. Die Tankgutscheine seien zwar grundsätzlich beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, würden aber als Sachbezüge außer Ansatz bleiben, weil sie bei keinem der Arbeitnehmer mehr als 40,00 € betragen hätten. Bei den Zahlungen für die Werbeflächen in Höhe von 21,00 € monatlich handele es nicht um Arbeitsentgelt, sondern um Mietzins. Dieser beruhe auf Mietverträgen über die Bereitstellung von Außenflächen auf den Autos der Arbeitnehmer zu Werbezwecken im betrieblichen Interesse der Klägerin.
Das sah das Bundessozialgericht indessen anders. Sowohl die Tankgutscheine als auch die Werbeflächenentgelte seien beitragspflichtiges Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs 1 Sozialgesetzbuch IV. Hierunter würden alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung fallen. Es sei gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen bestünde, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet würden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt würden. Einnahmen seien alle geldwerten Vorteile, die einem versicherten Beschäftigten in ursächlichem Zusammenhang mit seiner Beschäftigung zufließen würden.
Hier geht es zur Pressemitteilung des Bundessozialgerichts:
https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/DE/2021/2021_02_23_B_12_R_21_18_R.html