Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte über eine Kündigungsschutzklage zu entscheiden, der eine behauptete Verletzung der Corona-Hygiene- und Abstandsregeln zugrunde lag.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf , Urteil vom 27.4.2021 – 3 Sa 646/20
Beklagte erlässt Pandemieplan
Seit 2015 war der Kläger zunächst als Auszubildender und seit 2019 als Jungzerspanungsmechaniker bei der Beklagten beschäftigt. Er gehört der Jugend- und Auszubildendenvertretung an. Im März 2020 erließ die Beklagte einen internen Pandemieplan, aus dem sich u.a. die Aufforderung ergab, Abstand voneinander zu halten. Als weitere Hygienemaßnahmen wurde das Bedecken von Mund und Nase beim Husten oder Niesen mit einem Papiertaschentuch oder Ärmel empfohlen. In verschiedenen E-Mails und einer Abteilungsversammlung wurde die Belegschaft entsprechend informiert. Auch wurden Verhaltens- und Hygieneregeln auf Zetteln im Betrieb verteilt.
Mehrfacher Verstoß gegen Hygieneregeln – Kläger wird fristlos entlassen
Im April 2020 kündigte die Beklagte dem Kläger außerordentlich fristlos, nachdem der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung seine Zustimmung erteilte. Begründet wurde die fristlose Kündigung damit, dass sich der Kläger mehrfach nicht an die wegen der Corona-Pandemie ergriffenen Hygienemaßnahmen sowie an die Sicherheitsabstände gehalten habe. In mehreren Gesprächen habe er zu erkennen gegeben, dass er die Maßnahmen „nicht ernst nehme“ und diese nicht einhalten werde. Auch habe er einen Mitarbeiter gegen dessen Willen am Arm angefasst. Am 17.3.2020 habe er einen Kollegen vorsätzlich und ohne jegliche Barriere aus einem Abstand von einer halben bis maximal einer Armlänge angehustet. Sinngemäß habe der Kläger gesagt, er hoffe, dass der Kollege Corona bekäme. Ob der Kläger tatsächlich Corona habe, so die Beklagte, wisse sie nicht. Der Kläger widersprach den von der Beklagten vorgebrachten Kündigungsgründen. Zu keiner Zeit habe er andere Personen Infektionsgefahren ausgesetzt. Auch habe er, soweit es ihm möglich gewesen sei, die Sicherheitsabstände und Husten-Etikette eingehalten. Am 17.3.2020 habe er einen Hustenreiz verspürt und spontan husten müssen. Hierbei habe er ausreichenden Abstand zum Kollegen gehabt.
Die von der Beklagten vorgetragenen Gründe begründen grundsätzliche eine fristlose Kündigung
Durch die vom Landesarbeitsgericht (LAG) durdurchgeführte Beweisaufnahme konnten die von der Beklagten zur fristlosen Kündigung herangezogenen Gründe nicht bestätigt werden. Die Beweisaufnahme wurde durchgeführt, weil die von der Beklagten behauptete Version des Sachverhalts am 17.3.2020 im konkreten Fall, nach Auffassung des LAG, eine fristlose Kündigung hätte rechtfertigen können. Denn, so die Berufungsrichter*innen, wer im März 2020 bewusst einen Kollegen aus nächster Nähe anhustete und äußerte, er hoffe, dass er Corona bekäme, verletzte in erheblicher Weise die dem Arbeitsverhältnis innewohnende Rücksichtnahmepflicht gegenüber seinem Kollegen. Da der Kläger auch noch deutlich machte, dass er nicht bereit sei, die Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten, genüge auch keine Abmahnung.
Beklagte in Beweisnot – Fristlose Kündigung unwirksam
Die Beklagte konnte nach der umfangreichen Beweisaufnahme den von ihr behaupteten Sachverhalt nicht beweisen. Da die Arbeitgeberin für den Kündigungsgrund die Beweislast trägt, ging dies zu ihren Lasten. Einer Verletzung von Abstandsregeln hätte ausreichend durch eine Abmahnung begegnet werden können.
Das LAG hat der Kündigungsschutzklage nach der Vernehmung mehrerer Zeuginnen und Zeugen stattgegeben. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Hier geht es zur Pressmitteilung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf: