Müssen ehrenamtliche Bürgermeister und Ortsvorsteher in die Sozialversicherung einzahlen?

Wer abhängig beschäftigt ist und derzeit mehr als € 450,00 im Monat verdient, ist sozialversicherungspflichtig. Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in müssen grundsätzlich Beiträge jeweils zu Hälfte zahlen. Das ist vom Gesetz vorgeschrieben und niemand kann dem entrinnen. Das Bundessozialgericht hatte jetzt zu entscheiden, ob drei Ortsvorsteher und ein Bürgermeister jeweils in ihrer Funktion sozialversicherungspflichtig sind.

Bundessozialgericht, Urteile vom 28.04.2021 – B 12 KR 25/19 R und B 12 R 8/20 R

Bei Beschäftigten, die € 450,00 und weniger im Monat von ihrem Arbeitgeber bekommen („Mini-Job“), kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer mehrere Minijobs oder noch eine Hauptbeschäftigung hat. Auf jeden Fall muss aber der Arbeitgeber in die Sozialversicherung einzahlen, gegebenenfalls einen Pauschalbetrag an die Minijobzentrale der Knappschaft Bahn See.

Keine Sozialversicherungsbeiträge fallen im Übrigen bei Beamt*innen an, da sie rechtlich nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, sondern ein Amt ausüben. Gemäß § 7 Absatz 1 SGB V Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des „Weisungsgebers“.

Die Ortsvorsteher erhielten ein Viertel der Aufwandsentschädigung, die ein ehrenamtlicher Bürgermeister bekäme

Geklagt hatte eine Stadt, die von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) dazu verpflichtet wurde, Beiträge nachzuentrichten. Es ging um vier Ehrenbeamte der Stadt und die Frage, ob sie zugleich in einem Beschäftigungsverhältnis mit der Stadt stehen.

Die Sache betraf drei Ortsvorsteher von Ortsteilen der Stadt. In dieser Funktion waren sie Verbindungsglied zwischen Ortsbürgern und Stadtverwaltung. Zudem waren sie Vorsitzende des jeweiligen Ortschaftsrats. Sie erhielten ein Viertel der Aufwandsentschädigung, die ein ehrenamtlicher Bürgermeister einer Stadt mit vergleichbarer Einwohnerzahl bekommen würde.  Das waren monatlich zwischen 221,25 € und 249,25 €.

Die beklagte DRV forderte von der Stadt wegen geringfügiger Beschäftigungen der drei Ortsvorsteher nach einer Betriebsprüfung Pauschalbeiträge von rund 1.380,00 €. Dabei ließ sie monatlich jeweils 154,00 € beitragsfrei.

Der Bürgermeister erhielt monatlich eine Aufwandsentschädigung von 1200,00 €

Sodann ging es um den Bürgermeister der Stadt, die im streitigen Zeitraum in eine Verwaltungsgemeinschaft einbezogen war. Diese nahm die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Mitgliedsgemeinden wahr. Der Bürgermeister war zum Ehrenbeamten auf Zeit ernannt. Für seine Tätigkeit erhielt er – mit Ausnahme eines Monats, in dem er krankheitsbedingt die Amtsgeschäfte nicht ausüben konnte – eine monatliche Aufwandsentschädigung von 1200,00 €.

Die DRV forderte nach der Betriebsprüfung auf zwei Drittel dieses Betrags Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung und Umlagen.

Das BSG ist im Fall der Ortsvorsteher zu der Auffassung gekommen, dass sie insoweit nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Daher sei die Stadt sei nicht verpflichtet, Pauschalbeiträge für ihre Tätigkeit zu zahlen.

Die Ortsvorsteher haben keine Erwerbsabsicht, ihre Tätigkeit ist vielmehr von ideellen und unentgeltlichen Zwecken geprägt.

Die Ortsvorsteher seien weder weisungsgebunden noch in die Verwaltungsabläufe der Klägerin eingegliedert und damit nicht beschäftigt gewesen. Bei der Statuszuordnung käme es darauf an, wie die Organstellung als Ortsvorsteher durch das Landeskommunalrecht, das Satzungsrecht der Gemeinde und die Vereinbarungen zur Eingemeindung der Ortsteile ausgestaltet sei.

Die Ortsvorsteher würden im Wesentlichen Aufgaben als Vorsitzende des Ortschaftsrats ausüben und seien Bindeglied zwischen den Bürgern und dem Ortschaftsrat bzw der Stadtverwaltung. Insoweit der Bürgermeister Weisungen erteilen könne, sei das Ausfluss der organschaftlichen Stellung als Ehrenbeamte und deren Bindung an Recht und Gesetz, ohne das Gesamtbild der Tätigkeit zu prägen. Eine Eingliederung in die Verwaltungsstruktur der Stadt habe auch nicht vorgelegen.

Zudem wäre die Tätigkeit der Ortsvorsteher nicht objektiv von einer Erwerbsabsicht, sondern von ideellen und unentgeltlichen Zwecken geprägt. Die gezahlte Aufwandsentschädigung decke den gesamten mit der Tätigkeit verbundenen Aufwand ab. Ihr Umfang lege eine Vergütung nicht nahe. Über den steuerfreien Mindestbetrag von 154 Euro ginge sie in nur so geringem Umfang hinaus, dass an einer auch sozialversicherungsrechtlich ehrenamtlichen Tätigkeit keine Zweifel bestehen.

Der Bürgermeister war in die Verwaltungsabläufe der Stadt eingegliedert

Anders sah es das BSG indessen im Fall des ehrenamtlichen Bürgermeisters. Als solcher sei er in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert. Er sei in die Verwaltungsabläufe der Stadt eingegliedert. Seine Tätigkeit sei nicht nur durch seine Stellung als Vorsitzender des Stadtrats, sondern in maßgebender Weise auch durch seine Funktion als Spitze der Verwaltung geprägt.

Er sei Dienstvorgesetzter und nehme in arbeitsteiliger Weise die Verwaltungsstrukturen der Klägerin in Anspruch. Durch die Übertragung von Aufgaben an die Verwaltungsgemeinschaft sei er zusätzlich in deren Abläufe, insbesondere in den Gemeinschaftsausschuss eingebunden. Auch wenn seine Tätigkeit nach dem Kommunal- und Satzungsrecht als ehrenamtlich bezeichnet sei, wäre sie nicht durch ideelle Zwecke und eine Unentgeltlichkeit geprägt.

Ehrenamt und Sozialversicherungspflicht würden sich nicht gegenseitig ausschließen. Das Regelungsgefüge der dem Beigeladenen gewährten Aufwandsentschädigung, ihre Höhe und Bemessung nach der Größe der Gemeinde sowie ein Vergleich mit den einem stellvertretenden Bürgermeister gewährten Beträgen würden ausschließen, dass die Tätigkeit hier als sozialversicherungsfrei eingestuft würde. Die Entschädigung orientiere sich weder an steuerrechtlichen Ehrenamtspauschalen noch an den im kommunalen Entschädigungsrecht vorgesehenen Aufwandsentschädigungen für hauptamtliche Bürgermeister.

Bildquelle: Bundessozialgericht Dirk Felmeden

Hier geht es zur Pressemitteilung des Bundessozialgerichts:

https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/2021_10.html