Mit Beschluss vom 25. März 2021 hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen entschieden, dass das gegenüber einer Kommissaranwärterin ausgesprochene Verbot der Führung der Dienstgeschäfte rechtswidrig ist. Sie darf damit ihren Dienst wieder aufnehmen.
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.3.2021 – Az: : 6 B 2055/20
Nachdem am 16. September 2020 Landesinnenminister Reul die Aufdeckung rechtsextremer Chatgruppen in der nordrhein-westfälischen Polizei öffentlich gemacht hatte und hierzu „Sensibilisierungsgespräche“ geführt worden waren, wandte sich die 21- jährige im Beamtenverhältnis auf Widerruf stehende Kommissaranwärterin an ihre Dienststellenleitung.
Sie gab an, dass sie die „Sensibilisierungsgespräche“ zum Anlass genommen habe, die auf ihrem Smartphone gespeicherten Nachrichten durchzusehen. Bei der Durchsicht habe sie in mehreren WhatsApp-Gruppen einzelne problematische Bilddateien und Sticker festgestellt. Drei von vier betroffenen Chatgruppen gehörten ausschließlich Kommissaranwärter und -anwärterinnen an. Hieraufhin hat das Polizeipräsidium Düsseldorf die Beamtin vom Dienst suspendiert.
Begründet wurde dies damit, dass sie im Verdacht stehe, eine mit einer demokratischen Grundordnung unvereinbare Gesinnung zu teilen. Deshalb sei sie charakterlich für den Polizeivollzugsdienst ungeeignet, weil sie die Nachrichten auf ihrem Smartphone belassen und ihrer Verbreitung nicht entgegengewirkt habe. Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf folgte der Argumentation des Dienstherrn und hielt die Suspendierung für rechtmäßig. Gegen die erstinstanzliche Entscheidung legte die Kommissaranwärterin Beschwerde beim OVG ein.
Oberverwaltungsgericht kippt Entscheidung des Verwaltungsgerichts
In der Begründung seines Eilbeschlusses betont der 6. Senat des OVG, dass er die Ansicht des VG teile, dass die betroffenen Nachrichten teils rassistischen, antisemitischen oder den Nationalsozialismus befürwortenden Charakter hätten und daher mit den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbar seien.
Ein Kommissaranwärter, der derartige Inhalte versende oder zustimmend kommentiere, begründe regelmäßig Zweifel an seiner charakterlichen Eignung und könne entlassen werden.
Bei der der Antragstellerin jedoch liege der Fall anders. Sie habe die Bilder weder selbst verbreitet noch kommentiert. Angesichts der erheblichen Zahl von WhatsApp-Nachrichten (337.525 in 790 Chats) bzw. Bilddateien (172.214) auf ihrem Smartphone sei ihr auch zu glauben, dass sie die acht inakzeptablen Nachrichten erst wahrgenommen habe, nachdem sie ‑ angestoßen durch den Innenminister und die sensibilisierenden Gespräche in ihrer Dienststelle ‑ ihr Smartphone durchsucht habe.
Auch habe bei der Entscheidungsfindung Berücksichtigung zu finden, dass das Polizeipräsidium Düsseldorf in ihrem Fall Maßstäbe angelegt habe, die sich in nicht nachvollziehbarer Weise von denjenigen unterschieden, die es in den übrigen Fällen zugrunde gelegt habe. Während die Antragstellerin als Hinweisgeberin suspendiert worden sei und entlassen werden solle, habe das Polizeipräsidium gegenüber den anderen Kommissaranwärtern aus den Chatgruppen keine Maßnahmen ergriffen, insbesondere weder Suspendierungen noch Entlassungen ausgesprochen.
Erst auf Nachfrage des Senats im Beschwerdeverfahren habe das Polizeipräsidium erklärt, nunmehr Disziplinarverfahren eingeleitet zu haben. Der Umstand, dass die Antragstellerin, nicht aber die anderen Polizeibeamten auf die Nachrichten aufmerksam gemacht hätten, sei weder ihr zugute gehalten noch – soweit bekannt – den anderen negativ angelastet worden.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
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